Generale, Schlachten und die Geschichte
Vorstoß zur Umbenennung zahlreicher Straßen im und um den Generalszug

Thront über Kreuzberg, das Denkmal im Viktoriapark. | Foto: Thomas Frey
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  • Thront über Kreuzberg, das Denkmal im Viktoriapark.
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Gneisenau-, Yorck- und Blücherstraße: Diese und weitere Straßen in Kreuzberg würde Werner Heck gern umbenennen

Die Debatte ist im Gang, seit der Grüne-Bezirksverordnete seinen Antrag für die Bezirksverordnetenversammlung am 27. Februar formuliert hat. Er bringt darin eine mögliche Umbenennung von elf Straßen und Plätzen in Kreuzberg sowie einer bereits in Schöneberg liegenden Verbindung ins Spiel.

Der Vorstoß betrifft den sogenannten Generalszug und seine Umgebung, etwa die Yorck-, Gneisenau- oder Blücherstraße. Das Wirken dieser und weiterer Militärs steht im Zusammenhang mit den Namen zahlreicher benachbarter Straßen. Der Katzbach-, Möckern-, Hagelberger- und Großbeerenstraße, um nur einige zu nennen. Sie und noch weitere stehen für Orte von Kämpfen während der sogenannten Befreiungskriege der Jahre 1813 bis 1815.

Yorck, Gneisenau oder Blücher spielten dort als Heerführer eine wichtige Rolle. Letzter besonders bei der entscheidende Schlacht im Juni 1815 unweit des belgischen Ortes Waterloo. Sie ging auch als "Belle Alliance" in die Geschichte ein. Eine Belle-Alliance-Straße sowie einen Belle-Alliance-Platz hat es einst ebenfalls gegeben. Sie wurden 1947 in Mehringdamm und Mehringplatz umbenannt. Namensgeber war der sozialistische Politiker und Publizist Franz Mehring (1846-1919).

Befreiung von napoleonischer Herrschaft

Die Befreiungskriege wandten sich gegen die Fremdherrschaft des französischen Kaisers Napoleon, der weite Teile Preußens seit 1806 besetzt hielt. Nach Napoleons Niederlage in Russland sechs Jahre später formierte sich dagegen Widerstand. Neben im Militär dienende oder dazu gepresste Soldaten meldeten sich viele Freiwillige zum Kriegseinsatz. Mit der Kampfbereitschaft paarte sich die Hoffnung auf weitere politische und gesellschaftliche Veränderungen, auch in Richtung eines deutschen Nationalstaats.

Daraus ist dann erst einmal wenig geworden. Selbst bereits eingeleitete Reformen wurden teilweise wieder zurückgedreht, umso mehr dagegen die Siege über Napoleon zelebriert. Nicht zuletzt in Form eines Denkmals, das 1821 nach Plänen unter anderem des Baumeisters Carl Friedrich Schinkel an der höchsten Stelle des Tempelhofer Bergs eingeweiht wurde. Mit der Nachbildung eines Eisernen Kreuzes als wichtige Insignie. Dieser Orden wurde während der Befreiungskriege eingeführt. Inschriften erinnern an zwölf Schlachten während der mehr als zweijährigen Auseinandersetzungen, unter anderem an Katzbach, Großbeeren oder Großgörschen. Bei dem Denkmal handelt es sich um das Monument im Viktoriapark. Es wurde 1878/79 hydraulisch auf einen Sockel gehoben und leicht gedreht, damit es weiter die Umgebung überragte.

Die Anhöhe hieß wiederum seit 1821 so, wie 100 Jahre später der gesamte damals neu formierte Stadtbezirk zu ihren Füßen – Kreuzberg. Sie befand sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts außerhalb der Stadt. Das änderte sich mit der weiteren Bebauung der Berliner Peripherie. Die Neubauten lagen an neuen Straßen, die benannt werden mussten.

Kabinettsorder: Straßen sollen an Militärs erinnern

Per königlicher Kabinettsorder wurde am 9. Juli 1864, 50 Jahre nach den Befreiungskriegen, verfügt, dass dabei an Militärs und wichtige Schauplätze der damaligen Ereignisse erinnert werden soll. So wurden vor allem die Gneisenau- und Yorckstraße als bis heute erkennbare Magistralen mit Mittelstreifen angelegt, die eigentlich in ähnlicher Form noch weiter nach Westen führen sollten. Die Eisenbahnüberführungen an den Yorckbrücken und das Anhalter Güterbahnhofgelände (heute Park am Gleisdreieck) verhinderten das. Geblieben ist der Name – Generalszug.

Das alles bildet die historische Kulisse. Aber wie heute damit umgehen? Gerade daran hängen sich seit Hecks Antrag die Diskussionen auf.

Mehr als 200 Jahre nach den Befreiungskriegen stelle sich vor allem vor dem Hintergrund der europäischen Einigung und insbesondere der Partnerschaft zwischen den einstigen "Erbfeinden" Frankreich und Deutschland die Frage, ob diese Benennung noch als angebracht betrachtet werden kann, formulierte der Grüne. Andere Stimmen sehen dagegen ein Entsorgen der Geschichte am Werk.

Einstige "Helden" auf dem Prüfstand

Historische "Helden" oder Ereignisse haben meist Licht- und Schattenseiten. Auch die jetzt auf dem Prüfstand stehenden Generäle. Neidhardt von Gneisenau (1770-1831) tat sich als Heeresreformer hervor und geriet in den Verdacht ein "Jakobiner", was bedeutete ein Anhänger der französischen Revolution zu sein. Hans David Ludwig Yorck von Wartenburg (1759-1830) wurde als eigenwilliger Kopf und schwieriger Befehlsempfänger beschrieben. Ende 1812 verhandelte er ohne Vollmacht seines Königs die "Konvention von Tauroggen" mit Russland. Sie verschaffte Preußen Rückendeckung und gilt als eine Art Initialzündung für die Befreiungskriege.

Der Widerstandsgeist, über den anscheinend beide verfügten, zeigte sich auch bei zwei ihrer Nachfahren. Ein Urenkel Gneisenaus war Claus Graf Schenk von Stauffenberg, der Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944. Ein enger Mitstreiter war Peter Yorck von Wartenburg, Ururenkel des Generals. Beide wurden nach dem missglückten Umsturz hingerichtet.

Auch die Bewertung der Befreiungskriege unterschied sich je nach Standpunkt. Konservative Historiker sahen in ihnen ein Beispiel für die Symbiose zwischen Herrscher und Untertanen. Liberale verwiesen auf die ersten Anklänge von Einigkeit und Recht und Freiheit. Die waren allerdings auch mit nationalistischen und antisemitischen Untertönen vermischt. Auf der linken Seite wurde das Agieren des Volkes besonders herausgestrichen. Die DDR sah einen wichtigen Anknüpfungspunkt für eine Nationalgeschichte eigener Lesart. Ähnlich wie auch bei Yorcks Tauroggen-Alleingang. Denn er stehe für ein frühes Bündnis mit den späteren "Brudervölkern" der Sowjetunion.

Bei so einer großflächigen Namensänderung interessiert aber auch ganz konkretes. Käme es dazu, müssten die Adressen von Anwohnern oder Firmen geändert werden. Was in der Regel nicht durchgehend beliebt ist. Es gebe aber immer wieder Initiativen von einzelnen Bewohnern oder Gruppen, die eine Umbenennung fordern, führt Werner Heck ins Feld und nimmt gerade das als Anlass für seinen Aufschlag. Gleichzeitig, so erwähnt er ebenfalls, "haben sich in den mehr als 150 Jahren...Geschichte und Geschichten um und über diese Namen geschrieben, die vielleicht untrennbar mit ihnen verbunden sind." Werner Heck will eine Diskussion anstoßen. Auch gehe es darum, ein Format zu entwickeln, in dem Anwohner und Interessierte diese Frage weiter erörtern könnten.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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