"Der Kotti hat Charme"
Anwohner engagieren sich für besseres Image
Berlins neue Innensenatorin will am Kottbusser Tor eine feste Polizeiwache aufmachen. Damit sich die Leute dort wieder sicherer fühlen. Anwohner gehen gegen das „schlechte Image“ ihres Kotti schon länger vor.
Bei der „Wache am Kottbusser Tor“ will die neue Innensenatorin Iris Spranger (SPD) „schnell Nägel mit Köpfen“ machen. Zur Kriminalitätsbekämpfung und Prävention am Kotti werde jetzt ein Konzept für eine „dauerhaft besetzte Polizeiwache“ erstellt. Mit einer „Wache im 24/7-Betrieb“ soll dort die Polizeipräsenz „deutlich erhöht“ werden. Das stärke das Sicherheitsgefühl und diene der Kriminalitätsprävention, so Spranger. Es dürfe in Berlin keine „No-Go-Areas“ geben. Außerdem kündigte die Senatorin an, „zügig“ die rechtlichen Voraussetzungen für eine zusätzliche Videoüberwachung rund um das Kottbusser Tor zu schaffen.
Anwohner wie Alexander Kaltenborn kennen die Probleme an dem Kreuzberger Platz. „Es gab hier viel Gewalt“, sagt er. Überfälle, Taschendiebstähle, Belästigungen, Drogendealer, Junkies. „2016 war das.“ Damals schrieben viele Medien, der Kotti sei ein „Zentrum der Gewalt“. Die Polizei verstärkte ihre Präsenz. Die Straftaten gingen zurück. Doch der schlechte Ruf blieb. Zum Verdruss vieler Anwohner, die sich zum Verein „Kotti Coop“ zusammenschlossen. Um zu zeigen, dass das Kottbusser Tor besser als sein Ruf ist.
Bunt, verrückt und superdivers
„Der Kotti hat Charme“, sagt Alexander Kaltenborn. Der Kommunikationsdesigner wohnt seit zwölf Jahren dort und muss es wissen. „Unser Kiez ist nicht durchgentrifiziert wie der Prenzlauer Berg. Hier leben viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten, Kulturen und sozialer Herkunft nebeneinander. Unser Kiez ist bunt, verrückt und superdivers.“ Doch von den Medien und vielen Berlinern werde das Kottbusser Tor meist nur als Durchgangstor oder als Problemort gesehen. Dass dort mehr als 2000 Menschen ihr Zuhause haben, Kinder dort aufwachsen und zur Schule gehen, sich Nachbarn und Gewerbetreibende im Quartiersrat engagieren, in sozialen Initiativen und Mieterinitiativen, in Schulen und Kitas, das werde oft vergessen, sagt Kaltenborn.
Um die Anwohner und lokalen Akteure „sichtbar“ zu machen und gegen das negative Image des Kotti anzugehen, setzt „Kotti Coop“ seit 2016 das Projekt „Wir sind der Kotti“ im Kiez um. Mit Fördermitteln der Sozialen Stadt und aus dem Projektfonds des Quartiersmanagements. Alexander Kaltenborn gehört zur Projektleitung. Verschiedene Aktionen wurden bereits organisiert. Kiezhefte mit Bildern und Texten über Kuriositäten, Zahlen und Fakten, Sachliches und Persönliches rund um den Kotti gehören dazu. Ebenso ein „Image-Paket“ für Gewerbetreibende mit Aufklebern und Postkarten oder eine Kampagne zur Sensibilisierung von Touristen. Für den Kotti-Kalender 2019 wurde ein Foto-Wettbewerb organisiert, und für kleinere Aktionen und Veranstaltungen in der Nachbarschaft eine mobile Sound-Anlage mit Funkmikrofon angeschafft. Aktuell hängen am U-Bahnhof Kottbusser Tor knapp 100 Transparente mit Augenpaaren von Kindern der Jens-Nydahl-Grundschule. Hausverwaltungen und die BVG sorgten für die Genehmigung und das Anbringen der Banner. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum Frühjahr.
Mehr Grün, weniger Autos
Für die Anwohner bringen solche Aktionen mehr als eine Polizeiwache. „Es ist Aufgabe der Gesellschaft, solche Probleme wie am Kotti zu lösen“, sagt Alexander Kaltenborn. Dazu gehöre auch, Perspektiven zu schaffen, vor allem für die Kinder, die dort zur Schule gehen. Was sich viele Anwohner wünschen? „Mehr Grün zum Beispiel, und weniger Autos im Kiez.“ Mehr Sozialarbeiter auf der Straße und einen „Gesundheitsraum“ für Drogenabhängige. Solche Drogenkonsumräume, wo sich Abhängige unter Aufsicht Drogen spritzen können und beraten werden, gibt es zum Beispiel im Bezirk Mitte. „Man muss der Szene Angebote machen“, sagt Kaltenborn. Damit sich was ändert und der Kotti eine Zukunft hat. Denn er ist besser als sein Ruf.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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