Demonstratives Massenkiffen: Aktionstag für Cannabisfreigabe im Görlitzer Park
Rauch und ein typischer Duft lagen am 20. April geballter als sonst über den Resten des Pamukkale-Brunnens im Görlitzer Park. In einigem Abstand wurde das Treiben von etwa einem halben Dutzend Polizisten beobachtet, die aber nicht eingriffen.
Das ganze war als sogenannter 420 Smoke-In vom Berliner Hanfverband angekündigt worden. Die Zahlenreihe bezog sich auf das Datum sowie den exakten Termin um 16.20 Uhr. Denn der 20. April wurde inzwischen zum Aktionstag für die Freigabe von Cannabis ausgerufen.
Darum ging es auch bei diesem Massenkiffen. Haschisch oder Marihuana sollen in Deutschland endlich völlig straffrei geraucht und legal bezogen werden können, fordert nicht nur der Hanfverband. Bisher ist das nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Aus medizinischen Gründen können einige Konsumenten die Ware seit 2017 auf Rezept bekommen. Nutznießer hatten beim Smoke-In dann die Funktion als "Flankenschutz".
Abgesehen von der aus diesem Anlass großen Anzahl bekennender Kiffer sind Menschen, die mit einem Joint in der Öffentlichkeit unterwegs sind, eigentlich kein Aufreger mehr. Erst recht nicht im Görlitzer Park, dem wahrscheinlich bekanntesten Drogen-Eldorado in Berlin. Es war kein Zufall, dass der Aktionstag erneut dort stattfand. Manche Teilnehmer sahen das allerdings anders. Nicht nur argwöhnischen Blicken, sondern auch manchen Repressionen seien sie weiterhin ausgesetzt.
Der Besitz von geringen Mengen Cannabisprodukten wird inzwischen in der Regel nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Etwas anders sieht es aus, wenn jemand beim Kauf erwischt wird. Nur eine Ungereimtheit im Umgang mit bestimmten Substanzen, auf die natürlich auch der Hanfverband hinweist. Er sieht die völlige Freigabe weicher Drogen als Lösung für viele Probleme.
Unterstützung von Linken und FDP
Dafür gibt es auch politische Unterstützung. Sie war in Person von Pascal Meister, Bundestagsabgeordneter der Linken für Friedrichshain-Kreuzberg, und David Jahn, Berliner Landesvorsitzender der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, vor Ort. Normalerweise verbindet diese beiden und ihre Parteien wenig. Bei der Cannabisdebatte argumentieren sie aber ähnlich. Es gebe einen riesigen Schwarzmarkt für diese Produkte. Warum den nicht in den regulären Wirtschaftskreislauf überführen, den illegalen Drogenhandel dadurch minimieren und darüber hinaus auch noch Steuereinnahmen generieren? Die Konsumenten wären besser vor schlechter Ware geschützt – ein Plus für den Gesundheitsaspekt. Dazu kämen positive Erfahrungen aus anderen Ländern oder US-Bundesstaaten, in denen die Freigabe inzwischen praktiziert werde. Alles, so wurde natürlich ebenfalls betont, unter strengem Einhalten des Jugendschutzes. Auch beim Aktionstag wurde darauf geachtet, dass sich nicht Minderjährige dem gemeinschaftlichen Kiffen anschlossen.
Was das Suchtrisiko angehe, sei es ein schlechter Witz, wenn Leute, die am Abend mehrere Maß Bier in sich hineinschütten, über die Gefahren von Cannabis schwafeln würden, ätzte Pascal Meiser. Sowohl in seiner, wie auch in anderen Fraktionen werde gekifft. Wenn die Leute dazu auch öffentlich stehen würden, wäre das schon ein weiterer Schritt. Dass in das Thema Bewegung kommt, sieht er aber aktuell nicht. Die Linken hätten dazu zwar einen Antrag im Bundestag eingebracht, der werde aber wohl erneut von den Regierungsfraktionen abgeschmettert. Die CDU sei ohnehin dagegen und bei der SPD gebe es keine einheitliche Haltung.
Auch die Forderung, Pilotprojekte einzurichten, werde wahrscheinlich nicht durchkommen. In dieser Richtung gab es bereits vor drei Jahren den Vorstoß von Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne) sogenannte Cofffeeshops einzurichten, bevorzugt im Görlitzer Park.
Gegner: Einfallstor für härtere Drogen
Von den Gegnern wird neben der Abhängigkeit und weiteren Gefahren für die Gesundheit auch die sogenannte Einfallstheorie für ihre Ablehnung ins Feld geführt. Werde an dieser Stelle nachgeben, sei mit weiteren Forderungen, auch andere Drogen zu legalisieren, zu rechnen.
So wird es wohl weiter bei der derzeitigen Situation bleiben, die vielleicht mit einem illegalen Laisser-faire zu umschreiben ist. Deutlich wurde das auch bei manchen Görli-Nutzern, die keinen Aktionstag brauchen, um an einem Joint ziehen zu können. "Es hätten trotzdem noch mehr kommen können", meinte ein Mann, der seine Rauchware in die Sonne hielt. Ein anderer, 22 Jahre alt, fällt durch ein Riesenrohr auf. Nach seinen Angaben hat es eine Länge von 42 Zentimetern. Vier Stunden brauche er, bis davon nichts mehr übrig sei.
Cannabisprodukte konsumiere er seit seinem 14. Lebensjahr, erzählt der junge Mann. Er sieht sie als Gegenmittel zu seinem ADS-Syndrom. Im Medizinprogramm sei er aber bisher nicht. "Ich suche noch nach einem Arzt, der mir das bestätigt."
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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