Sauberkeit, Sicherheit, mehr Angebote
Ein Abend zur Situation am Mehringplatz
Manche Beiträge klangen nach Horrorszenario. Von Urinecken in den Häusern wurde berichtet; Müll, der sich an vielen Stellen befindet, wo er nicht hingehört; regelmäßig kaputten Aufzüge. Oder Keller, in die sich manche nicht mehr trauen, weil sie häufig von Ortsfremden frequentiert werden.
Das und noch mehr wurde am 14. Juni bei der Nachbarschaftsversammlung "Aufbruch Mehringplatz" vorgetragen. Das Bezirksamt hatte zu dieser Veranstaltung in die Kantine der "taz" an der Friedrichstraße eingeladen. Sie stieß mit mehr als 140 Besuchern auf großes Interesse.
Aber trotz ihrer Brisanz und vielen vorgetragenen Ärgernissen blieb die Tonlage eher gedämpft. Dafür sorgte schon die Regie des Abends. Bei solchen Bürgerdialogen überlässt der Bezirk inzwischen nichts mehr dem Zufall. Das Programm ist bis ins Detail organisiert, für den Ablauf werden externe Moderatoren eingekauft. Selbst manche onkelhafte Aussagen zum Ablauf ("Wir wollen mit Ihnen arbeiten") nahm das Publikum hin. Auch weil es sehr schnell auf drei verschiedene sogenannte "Marktstände" verteilt wurde. Die behandelten verschiedene Themenfelder wie Soziales, Sicherheit und Ordnung sowie Wohnen und Gewerbe. An den Ständen fanden sich jeweils Experten vom Jugend- oder Ordnungsamt über die Wirtschaftsförderung bis zur Polizei.
Bei den einzelnen Stationen ging es schon zur Sache, aber eben kanalisiert. Schnell schälten sich die meist bekannten Aufreger heraus. Etwa der ganze Komplex Sauberkeit, auch verschiedene Formen von Kriminalität. Die Gewerbestruktur wird als eher eindimensional empfunden. Erst recht, wenn zum Jahresende auch noch der Edeka-Markt an der Ecke Franz-Klühs-Straße verschwindet. Ihm ist, zumindest nach derzeitigem Stand, zu dieser Frist gekündigt worden. Der Bezirk bemühe sich in Gesprächen um eine mögliche Lösung, war ein Ergebnis des Abends.
Wer ist wofür zuständig?
Die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten rund um den Mehringplatz beziehungsweise die Südlichen Friedrichstadt spielten eine wichtige Rolle. In wessen Zuständigkeit fällt welches Anliegen? Weil bereits im Bezirksamt viele Stellen involviert sind, waren neben Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne) noch drei weitere Stadträte erschienen, ihr Stellvertreter Knut Mildner-Spindler (Linke, Soziales, Gesundheit, Bürgerdienste), Andy Hehmke (SPD, Wirtschaft, Ordnungsamt, Schule und Sport) sowie Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne). Sie standen außerdem für Einzelgespräche zur Verfügung.
Dass die Probleme am Mehringplatz in den vergangenen Jahren besonders koordiniert angegangen wurden, hat nicht einmal dieses Quartett vehement vertreten. Denn vieles, was an Missständen aufgeführt wurde, ist nicht neu. Mögliche Lösungsvorschläge aus früheren Beteiligungsverfahren sind aber in den vergangenen Jahren oft versandet. Was jetzt nicht mehr passieren soll, wie die Bürgermeisterin betonte. Wobei das nicht allein in der Verantwortung der Verwaltung liegt. Die verspricht nicht nur im Fall Edeka vor allem weitere Vermittlung.
Das gilt auch in Richtung Gewobag. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist der größte Vermieter am Mehringplatz. In deren Bestand laufe aber vieles nicht optimal, etwa bei den Aufzügen, lauteten mehrere Klagen. Ein noch größeres Problem ist der private Gebäudekomplex in Richtung Wilhelmstraße. Dort sind die Zustände anscheinend so, dass ein direktes Eingreifen des Bezirks, konkret durch die Bauaufsicht, anklang. Ein weiteres Ärgernis in diesem Zusammenhang: das marode ehemalige Parkhaus an der Franz-Klühs-Straße.
Jugendliche wollen Lärm machen
Eine Forderung zum Thema Sicherheit lautete: Aufbauen von Überwachungskameras. Was aber auch in Friedrichshain-Kreuzberg nicht auf Zustimmung der politisch Verantwortlichen stößt. Eher, ebenfalls verlangt, mehr Präsenz der Polizei; Stichwort: mobile Wache.
Ebenfalls immer wieder vorgetragen: weitere Angebote für Jugendliche. Es gibt sie zwar, speziell in der KMAntenne. Aber, wenn Jugendliche im öffentlichen Raum auftauchen, sorge dies häufig für Interessenkonflikte. Die Heranwachsenden wünschen sich wiederum einen Platz "wo man ungestört Lärm machen kann".
Und nicht zuletzt ging es auch um die Frage, welchen Beitrag jeder einzelne zur Verbesserungen am Mehringplatz leisten könne. Dabei kam zum Beispiel eine Tauschbörse für nicht mehr benötigtes Inventar ins Spiel. Überhaupt wurde ein größerer Kontakt unter den Bewohnern als weiteres Ziel formuliert. Auch interaktiv, etwa in Form einer Nachbarschafts-App.
Viele Ideen, die jetzt abgearbeitet und für die Lösungen gesucht werden sollen. Denn der "Aufbruch" am 14. Juni war nur der erste Aufschlag. Mit Arbeitsgruppen und weiteren Veranstaltungen soll es jetzt weiter gehen, mündend in einer erneuten Nachbarschaftsversammlung im Sommer 2020.
Sonnensegel für Besselpark kommt
Ob sich bis dahin etwas verändert hat? Eine Besucherin war eher skeptisch. Manches könne doch sehr schnell gehen, meinte ein Mann bei der Abschlussfragerunde und griff dabei noch einmal das Thema Unrat auf. Wie wäre es denn, wenn analog zum bereits existierenden Platzgärtner auch jemand eingestellt wird, der die Dreckecken aufspürt und für schnelle Beseitigung sorgt? Um das umzusetzen müssten auch keine langen Strategiepapiere formuliert werden.
Ein anderes Problem scheint, nach ebenfalls jahrelangem Vorlauf, in diesen Tagen vom Tisch zu kommen. Nämlich der fehlende Sonnenschutz auf dem Spielplatz im Besselpark. Ein Thema, das vor allem durch Margit Boé immer wieder in Erinnerung gerufen wurde. Die Frau ist so etwas wie die Speerspitze der Opposition rund um den Mehringplatz. Dass beim Umgestalten dieser Anlage nicht an Schatten gedacht wurde, hält sie für einen besonderen Schildbürgerstreich. Zumal sich daran seit 2016 nichts geändert habe. Aber jetzt. Am 24. Juni soll ein Sonnensegel installiert werden.
Hintergrund
Der Mehringplatz gehört zum Sanierungsgebiet Südliche Friedrichstadt. Die Gegend wird deshalb als Ganzes betrachtet. Sie erstreckt sich vom Halleschen Tor bis zur Kochstraße. Etwa 13 500 Menschen leben dort, fünf Prozent mehr als 2012. Rund 68 Prozent haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Circa 38 Prozent leben in Haushalten, die auf Transferleistungen angewiesen sind. 25 Prozent der Rentner fallen in die Grundsicherung. Es gibt zwar teilweise Verbesserungen bei den sozialen Indikatoren, aber noch immer rangiert das Gebiet am unteren Ende der Skala.
Es ist gleichzeitig auch Veränderungen unterworfen. Am deutlichsten zeigt sich das am ehemaligen Blumengroßmarkt, wo mehrere Neubauten für Büros und Gewerbe, teilweise auch für Wohnen entstanden sind oder gerade entstehen. Die meisten mit einem dezidiert innovativen Anspruch. Sie kontrastieren mit teils ganz anderen Lebenslagen, gerade am Mehringplatz.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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