„Die Beschäftigen arbeiten seit Jahren am Limit“
Ulrike Gote über die aktuellen Herausforderungen für das Gesundheitswesen

Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit Dezember Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. | Foto:  Villwock
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Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit Dezember Berliner Gesundheitssenatorin. Davor war sie Dezernentin unter anderem für Gesundheit in Kassel. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporter Dirk Jericho spricht sie über die Herausforderungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Zeiten von Corona-Krise und Flüchtlingswelle.

Sie sind seit drei Monaten Gesundheitssenatorin und mitten im Corona-Stress eingestiegen. Jetzt kommen die Herausforderungen der Flüchtlingswelle dazu. Schafft Berlin das?

Ulrike Gote: Ja, wir sind ja krisenerprobt. Berlin ist bisher gut durch die Corona-Krise gekommen, auch dank der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. Und in Bezug auf die Geflüchteten aus der Ukraine arbeiten wir eng mit der federführenden Sozial- und Integrationsverwaltung zusammen, zum einen was die gesundheitliche Begleitung, die Erstversorgung der geflüchteten Menschen angeht, zum zweiten aber auch, was das Impfen gegen Corona betrifft. Wir können allen hier Ankommenden ein Impfangebot machen.

Die Tausenden Ukraine-Flüchtlinge müssen gesundheitlich versorgt werden. Was bedeutet das für die Gesundheitsämter, die ohnehin am Limit sind?

Ulrike Gote: Die Gesundheitsämter machen in der Corona-Krise einen tollen Job. Die Beschäftigten arbeiten seit Jahren am Limit, hier brauchen wir strukturelle Verbesserungen. Ein Schwerpunkt meiner Amtszeit wird deshalb sein, den Öffentlichen Gesundheitsdienst fit für die Zukunft zu machen – sowohl personell als auch in der Ausstattung, Stichwort Digitalisierung.

Sie wollen den Impfschutz der Flüchtlinge erhöhen und bieten allen kostenlose Impfungen an. Wo werden die Flüchtlinge geimpft und wie wird das angenommen?

Ulrike Gote: Das Angebot an Corona-Impfungen ist in Berlin generell sehr hoch, einfach zu erreichen und es wird auch angenommen. Die Geflüchteten aus der Ukraine können sich zum einen – wie alle anderen Menschen in Berlin – in den Impfstellen unkompliziert impfen lassen. Im Ankunfts-zentrum Tegel, das vergangene Woche eröffnet wurde, können sie direkt vor Ort den schützenden Pikser bekommen. Zusammen mit der Sozial- und Integrationsverwaltung entwickeln wir außerdem weitere niedrigschwellige Impfangebote.

Die Corona-Pandemie ist wegen der dramatischen Kriegsereignisse etwas in den Hintergrund gerückt, aber das Infektionsgeschehen ist immer noch hoch. Wie gefährlich ist die Lage für die Krankenhäuser?

Ulrike Gote: Die Lage in den Krankenhäusern hat sich seit der fünften Welle deutlich entspannt und bleibt dennoch angespannt, zum Beispiel weil Personal durch Krankheit oder Quarantäne ausfällt. Wir beobachten das Infektionsgeschehen und die Situation in den Krankenhäusern sehr genau. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei. Derzeit steigen die Infektionszahlen wieder und auch im Herbst müssen wir mit mehr Corona-Fällen rechnen. Und es kann auch weitere Virusvarianten geben.

Trotz hoher Inzidenzen entfällt ab April die Maskenpflicht – außer in Bussen und Bahnen sowie in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Auch Test- und Impfnachweise braucht man nicht mehr. Ist Corona damit quasi per Verordnung beendet?

Ulrike Gote: Nein, leider nicht. Wir müssen die Corona-Pandemie weiter gemeinsam bekämpfen, wie wir es in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich gemacht haben. Auch deshalb hatten wir uns dazu entschieden, die durch das Bundesrecht geschaffene Möglichkeit einer Übergangszeit zu nutzen und die Corona-Maßnahmen bis zum 31. März aufrechtzuerhalten. Maßnahmen, die über die Basisschutzmaßnahmen hinausgehen, lässt die rechtliche Grundlage durch das neue Bundesgesetz ab dem 1. April nicht mehr zu. Die sogenannte Hotspot-Regelung, durch die sich weitere Schutzmaßnahmen beschließen ließen, ist an zwei Voraussetzungen geknüpft: die Ausbreitung einer gefährlicheren Virusvariante oder eine drohende Überlastung der Krankenhäuser. Ob Berlin als Hotspot definiert wird, darüber muss das Abgeordnetenhaus entscheiden. Abgesehen davon rate ich jeder und jedem, auch weiterhin in Innenräumen mit vielen Menschen Maske zu tragen, denn die Maske – am besten FFP2 – ist ein einfacher und guter Schutz vor Corona.

Der Senat will Integrierte Gesundheitszentren in den Bezirken errichten. Neukölln hat als Modellprojekt ein erstes Stadtteilgesundheitszentrum eröffnet. Was hat es damit auf sich?

Ulrike Gote: Die Integrierten Gesundheitszentren machen interkulturelle und niedrigschwellige Angebote für die Menschen im Kiez: Im Modellzentrum in Neukölln, das Ende Februar eröffnet hat, gibt es viele Angebote – von einem Café über kostenfreie Sozial-, Gesundheits-, Familien-, Pflege- und psychologische Beratung, hausärztliche und kinderärztliche Versorgung bis hin zu gesundheitsbezogener Stadtteilarbeit. Die dort arbeitenden Ärzt:innen, Psycho-log:innen und Sozialarbei-ter:innen können so gezielt auf die Bedarfe der Kiezbe-wohner:innen eingehen. Wir wollen, dass alle Menschen wohnortnah und unkompliziert beraten und umfassende ganzheitliche Gesundheitsangebote wahrnehmen können. Deshalb wollen wir nach dem Neuköllner Vorbild weitere solcher Stadtteilgesundheits-zentren schaffen.

Ihr Job ist anstrengend und sicher auch gesundheitlich belastend. Wie halten Sie sich fit, wo finden Sie Entspannung und Ausgleich?

Ulrike Gote: Ich fahre gerne Fahrrad, das hält mich fit und die frische Luft sorgt für Ausgleich nach langen Tagen mit viel Zeit vor Computerbildschirmen. Abends entspanne ich auf meinem Sessel bei einer Tasse Tee und einem guten Buch oder Film.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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