Am Tempelhofer Ufer erinnert eine Tafel an Rio Reiser
Im zweiten Stock des Gebäudes lebte die Band von 1971 bis 1975 in einer Wohngemeinschaft. Zahlreiche ihrer bis heute bekannten Songs entstanden hier.Mehr als 100 Menschen waren zu der Tafel-Taufe gekommen. Älter gewordene Fans der Gruppe, aber auch einige jüngere Semester. Politiker und Angehörige von Rio Reiser, etwa sein Bruder Andreas Möbius. Und natürlich die Scherben-Family, einschließlich der ehemaligen Bandmitglieder R.P.S. Lanrue, Kai Sichtermann und Funky Götzner.
Wie nicht anders zu erwarten wurde die Veranstaltung zu einem großen déja vu. Dafür sorgten bereits die zahlreichen Reden, die Rio Reiser und die Scherben zu den Ahnherren deutschsprachiger Rockmusik erhoben. Natürlich mit dezidiert linksalternativem Einschlag, versteht sich.
Und natürlich fehlte auch das Lokalkolorit nicht. Lieder, wie der "Rauch-Haus-Song", die gegen den geplanten Sanierungskahlschlag im Kreuzberg der frühen 70er-Jahre agitierten, hätten das Bewusstsein einer ganzen Generation geprägt, sagte Kulturstadträtin Jana Borkamp (Bündnis 90/Grüne). Die WG am Tempelhofer Ufer sei ein offenes Haus gewesen, auch für Illegale oder von der Polizei Gesuchte. Und mittendrin natürlich Rio Reiser. Sänger und Frontmann, genialer Texter vieler Scherben-Gassenhauer, mit nur 46 Jahren 1996 viel zu früh verstorben. An einem 20. August, weshalb die Einweihung auf diesen Tag gelegt wurde.
1975 hatte die Band Berlin verlassen und sich nach Nordfriesland zurückgezogen. Zehn Jahre später löste sie sich auf. Rio Reiser war danach als Solist erfolgreich, etwa mit seinem Hit "König von Deutschland". Die intensivste Zeit ihres Musikerlebens haben die Scherben aber am Tempelhofer Ufer erlebt. Dass daran jetzt erinnert wird, ist vor allem der Berliner Geschichtswerkstatt zu verdanken. Deren Forderung nach einer Gedenktafel wurde auch von der BVV Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt. Die Finanzierung übernahm wie bei allen diesen besonderen Hinweisschildern, die Gasag. "Ob Rio Reiser das gefallen hätte?", sinnierte Björn Böhning (SPD), Chef der Berliner Senatskanzlei, bei seiner Rede. "Schlipsträger, die ihn würdigen und ein Energieunternehmen als Sponsor?" Wahrscheinlich, so seine Vermutung, hätte er sich aber darüber gefreut. Denn seine Musik sei inzwischen im popkulturellen Mainstream angekommen.
Die Tafel wurde auch in diesem Fall aus Porzellan angefertigt - und nicht aus Ton, Steine und Scherben.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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