Bertold Kujath will Einwohnerantrag zur Rettung der Laternen
Der 54-jährige Ingenieur ist inzwischen der wahrscheinlich beste Experte in Sachen Berliner Gaslaternen. Seit fast 30 Jahren kümmert er sich um dieses Thema und ist Vorsitzender des Vereins Gaslicht-Kultur. Mittlerweile befindet er sich in einer Abwehrschlacht mit der Berliner Landespolitik. Denn der Senat hat vor, die Beleuchtung der Straßenlampen von Gas nahezu vollständig auf elektrischen Strom umzustellen. Dagegen kämpfen Kujath und seine Mitstreiter. Aktuell verstärkt in Kreuzberg. Dort bereiten sie derzeit einen Einwohnerantrag vor. Wenn dabei mindestens 1000 Unterschriften zusammen kommen, muss sich die BVV mit diesem Thema beschäftigen.
Rund 3500 der etwa 40 000 noch vorhandenen historischen Leuchten befinden sich hier. Anzutreffen seien alle unterschiedlichen Typen, erklärt Kujath. Die Schinkelleuchten beispielsweise, außer am Chamissoplatz, auch noch am Planufer. Am Paul-Lincke- oder am Heckmannufer stehen Aufsatzleuchten. Sie machen mit rund 32 000 den Hauptanteil der Gaslaternen aus, Dazu kommen Hänge- oder Reihenleuchten. Von letzteren sollen nur 250 übrig bleiben. Zu sehen sind sie unter anderem am Görlitzer Ufer.
Laut Senat ist der Abbau der Gasbeleuchtung vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nötig. Strombetriebenes Straßenlicht sei einfach günstiger. Für Bertold Kujath ist das eine Milchmädchenrechnung. "Außer Acht gelassen werden dabei die Kosten für den Abriss der alten und das Einrichten der neuen Leuchten." Außerdem verweist er darauf, dass eine Elektrolaterne eine durchschnittliche Lebensdauer von 40, eine Gaslampe dagegen von rund 100 Jahren habe. Selbst die etwas besseren CO2-Werte, mit denen der Strom punkten kann, überzeugen ihn nicht. "Alle Berliner Gaslichter haben in einem Jahr den gleichen Schadstoffausstoß, wie ein Kohlekraftwerk an einem Tag."
Vor allem geht es ihn bei seinem Kampf aber um das historische Erbe Berlins. "Die Gaslichter sind ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt und Teil ihrer Geschichte." Im Ausland werde das viel deutlicher gesehen als hier. "Dabei könnten wir mit diesem Pfund noch viel stärker wuchern." Es ohne Not aufzugeben zeuge von wenig Weitblick. Und zeige erneut, wie unsensibel Berlin mit der Vergangenheit umgehe.
Für dieses Argument erhält er inzwischen auch internationale Unterstützung. Etwa durch den World Monuments Fund (WMF). Die Denkmalagentur mit Sitz in New York hat die Berliner Gaslichter im Oktober auf die Liste der weltweit gefährdeten Kulturgüter gesetzt. In der Stadt hat der Verein Demonstrationen und Mahnwachen organisiert, mehr als 20 000 Unterschriften gesammelt und prominente Mitstreiter um sich geschart. Etwa den Schauspieler und Moderator Ilja Richter ("Licht aus - Spot an").
Leider habe das bisher noch zu keinem wirklichen Umdenken im Senat geführt, bedauert Kujath. Auch wenn dort zuletzt ein Anteil von fünf Prozent erhaltenswerter Gaslaternen ins Spiel gebracht wurde. Deshalb forciert er jetzt den Widerstand in den betroffenen Bezirken. In Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz-Zehlendorf und Köpenick hat er bereits Einwohneranträge auf den Weg gebracht. Auch in Kreuzberg sollen auf diese Weise Bürger und Politiker vor Ort für das Thema sensibilisiert werden.
"Je mehr sich die Menschen mit diesem Thema beschäftigen, desto mehr wird ihnen klar, dass die Gaslichter ein Teil ihres eigenen Lebens und ihrer Identität ausmachen", ist Bertold Kujath überzeugt. Auch bei ihm sei das so gewesen und der Antrieb für seinen Kampf. "Wobei wir überhaupt keine dogmatischen Verfechter jeder einzelnen Laterne sind", beteuert er. "Aber wir fordern einen fairen Kompromiss."
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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