Die Ausstellung zur DDR-Fotografie
Die Aufnahme von Jens Rötzsch zeigt Teilnehmerinnen beim Pfingsttreffen der FDJ im Jahr 1989 im Stadion der Weltjugend. Weder die Damen noch sonst irgendjemand konnte damals ahnen, dass dies der letzte Pfingsttermin der DDR-Staatsjugend war.Rötzschs Foto ist eins von rund 250 Bildern, die in der Ausstellung "Geschlossene Gesellschaft" in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, zu sehen ist. Die Schau gibt einen Überblick über die Künstlerische Fotografie in der DDR von 1949 bis 1989.
Wobei die ältesten Aufnahmen sogar aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stammen. Portraits von 1946 zeigen Trümmerfrauen und ausgemergelte Menschen, denen der Schrecken der Jahre zuvor noch deutlich anzusehen ist. Ihnen folgen Milieustudien, vor allem aus der Arbeitswelt oder Bilddokumente nationaler Aufbauleistungen, etwa in der Friedrichshainer Stalinallee. Die Straßenszenen, die Arno Fischer dort Ende der 1950er Jahre aufgenommen hat, korrespondieren mit Schnappschüssen desselben Fotografen vom Kurfürstendamm. Drei Jahre vor dem Mauerbau waren solchen Grenzgänge und Systemvergleiche innerhalb Berlins noch möglich.
"Realität, Engagement, Kritik", unter diese Überschrift haben die Ausstellungsmacher nicht nur diese Aufnahmen gestellt, sondern beispielsweise auch die in den 1980er Jahren entstandenen Familienportraits von Christian Borchert. Die Protagonisten posieren dabei meist in ihren eigenen vier Wänden. Ihr vollständiger Name wird zwar in den Bildhinweisen nicht genannt, wohl aber die Berufe der Väter und Mütter. Etwa die Familie W. Sie Montiererin, er Schutzpolizist. Maurer und Stationshelferin oder Diplom Ingenieur für Bauwesen/Diplom Sportlehrerin lauten einige der weiteren Familienkonstellationen, die damit gleichzeitig auf die nahezu durchgängige Berufstätigkeit von Frauen in der DDR hinweisen. Und nicht nur das. "Schau mal, unser Sofa", so der Aufschrei einer Besucherin beim Betrachten der Bilder. Erinnerung an die Standardeinrichtung von Wohnungen im SED-Staat.
Dieser Wiedergabe des Alltagslebens stehen in der Ausstellung die Bilder unter dem Kapitel "Medium-Subjekt-Reflexion" gegenüber. Hier dominieren individuelle Ansichten, verfremdete Portraitstudien. Etwa bei den Arbeiten von Peter Oehlmann, der Köpfe neu und damit abseits ihrer ursprünglichen Form zusammen setzte. Auch die Aufnahmen von Sven Marquardt gehören in diese Kategorie. Marquardt, heute vor allem bekannt als Türsteher des Clubs Berghain in Friedrichshain, setzt seine Modelle in Hardcore- und Fetischmanier in Szene.
Fotografische Ansichten, die in der DDR erst im letzten Jahrzehnt ihres Bestehens artikuliert werden konnten und die auch dann noch weitgehend außerhalb der gewünschten und geförderten Staatskunst standen. Das gilt auch für viele Arbeiten unter der Rubrik "Montage, Experiment, Form". Hier sind vor allem großflächige Installationen zusammen gefasst, etwa das Schlachthauslabyrinth von Jörg Knöfel. Der Besucher bewegt sich durch einen Gang, der mit Wänden aus Silberpapier begrenzt ist. An den Wänden hängen Fotos, die die Arbeit in einem Schlachthof dokumentieren. Ein Schwein wird im wahrsten Sinne des Wortes verwurstet.
Eine Bilderfolge, die natürlich ebenso zu Analogien mit dem Leben in der DDR herausfordert, wie eines der zeitlich letzten Bilder der Ausstellung. Es heißt "Die Auferstehung". Ernst Goldberg dokumentiert hier eine Performance des Künstlers Manfred Küster. Der wälzt sich zunächst in Asche und Staub, Zeichen des Todes, ehe er symbolisch wiedergeboren aus einem Fluss entsteigt. Entstanden ist diese Fotoserie im Jahr 1989.
"Geschlossene Gesellschaft" ist bis zum 28. Januar 2013 zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Montag von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet acht, ermäßigt fünf Euro. Er ist für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei. Jeden ersten Montag im Monat gibt es einen ermäßigten Einheitspreis von vier Euro.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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