Eine Geschichte zum 9. November 1938

Eric Lowinskys US-Einbürgerungsurkunde vom 8. Dezember 1944. Sein neuer Name: Eric Lowins. | Foto: Frey
  • Eric Lowinskys US-Einbürgerungsurkunde vom 8. Dezember 1944. Sein neuer Name: Eric Lowins.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. Am 9. November jährte sich zum 75. Mal der Jahrestag der Reichspogromnacht. Synagogen und jüdische Geschäfte waren damals in Brand gesteckt, Wohnungen geplündert, Menschen verschleppt und ermordet worden.

Erst nach den Ereignissen vom Herbst 1938 versuchten viele deutsche Juden das Land zu verlassen. Auch die Familie von Erich Lowinsky aus der Markgrafenstraße 12. Erich Lowinsky, geboren 1893 war verheiratet mit Bertha Lowinsky, Jahrgang 1894. Ihre Tochter Josepha Irene war damals 14 Jahre und Schülerin.Als Beruf gab Erich Lewinsky in seinen Einreisepapieren in die USA das Handwerk eines Gürtelmachers an. Eine Auskunft, die zumindest nicht vollständig war. Denn lange Jahre war er Kabarettist.

Ab 1926 erregte er im "Monbijou" in der Friedrichstraße mit seinem "Kabarett der Namenlosen" Aufsehen. Es war eine Art früher Vorläufer von TV-Shows wie "Das Supertalent". Wie Dieter Bohlen, ließ er Unbekannte ihre Sanges- und sonstige Künste vortragen. Natürlich war eingeplant, dass sich manche dabei kräftig blamierten.

Es waren aber wahrscheinlich weniger moralische, als vielmehr handfeste Gründe, warum Erich Lowinsky diese Tätigkeit bei den US-Behörden verschwieg. Denn wie sollte ein Kabarettist, der die Landessprache nicht beherrschte, auf diese Weise sein Geld verdienen?

Die Hürden, um in den USA Aufnahme zu finden, waren hoch. Verlangt wurde beispielsweise ein, ab 1940 sogar zwei, sogenannte Affidavits. Das waren Bürgschaften von im Land lebenden Personen, die sich bereit erklärten, für den Unterhalt der Neuankömmlinge aufzukommen, falls diese dazu nicht in der Lage waren. Erich Lowinsky konnte sogar drei solcher Dokumente beizubringen, worauf er in einem Schreiben an das US-Konsulat vom Januar 1939 hinwies. Eines kam von einem Cousin, der schon lange in den Staaten lebte.

Juden, die Deutschland bis Kriegsbeginn verlassen wollten, mussten meist den größten Teil ihrer Geld- und Sachwerte zurücklassen. Nach dem 9. November 1938 verschärfte das NS-Regime diese Willkür- und Zwangsmaßnahmen noch weiter. Den Juden als Opfer der Pogromnacht wurde eine "Buße" von insgesamt einer Milliarde Markt auferlegt. Sie hatte jeder, der mehr als 5000 Mark besaß, in Form von 20 Prozent seines Vermögens aufzubringen. Da sich in den Dokumenten von Erich Lowinsky kein solcher Vermerk entdeckt wurde, ist davon auszugehen, dass seine Ersparnisse unterhalb dieser Summe lagen. Dafür findet sich ein Schreiben des Bezirksamtes Kreuzberg, das ihm bescheinigt, seine Steuern ordentlich bezahlt zu haben. Ausführen durften die Lowinskys nur einen Betrag von zehn Reichsmark. Umgerechnet waren das vier Dollar.

Zum Nachlass der Familie gehört auch der Reisepass von Bertha Lowinsky. Dem Vornamen der Frau ist der Beiname "Sara" zugefügt. Mit Sara und die Männer mit Israel wurden seit Ende 1938 allen Juden gekennzeichnet. Dazu befindet sich im Pass ein dickes rotes J. Gleichzeitig war der Ausweis das Ticket in die Freiheit. Am 21. Juni passierten die Lowinskys die Grenze zu den Niederlanden. Von Rotterdam brachte sie ein Schiff in die USA.

Dort scheinen sie eine neue Heimat gefunden zu haben. Auf den 8. Dezember 1944 datiert die Einbürgerungsurkunde von Erich Lowinsky. Er legte seinen bisherigen Namen ab und nannte sich nun Eric Lowins. Auch als Kabarettist scheint er später wieder aufgetreten zu sein. Er starb 1978 in Los Angeles. Seine Frau überlebte ihn um elf Jahre.

Die Dokumente zur Emigrationsgeschichte der Lowinskys finden sich heute im Archiv des Jüdischen Museums. Dort gibt es inzwischen Material zu mehr als 2000 Familien und ihrem Schicksal. Auch an weiteren Nachlässen ist das Museum interessiert.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 360× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 320× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 696× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.266× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.