Friedrichshain-Kreuzberg plant den "essbaren Bezirk"
Im Frühjahr hat die BVV einen Antrag der Grünen-Fraktion nach einem "essbaren Bezirk" verabschiedet. Er verlangt zum Beispiel, dass entlang der Straßen weitere Obstbäume gesetzt und zusätzliche Flächen für Hobbygärtner zur Verfügung gestellt werden sollen.Häufig fallen Forderungen des Bezirksparlaments bei der Verwaltung auf wenig Gegenliebe. In diesem Fall ist aber zumindest Hilmar Schädel, Leiter des Fachbereichs Grünflächen von der Idee sehr angetan. "Ich bin inzwischen infiziert", sagt Schädel. Befeuert wurde seine Begeisterung vor kurzem auch bei einem Besuch in Andernach. Die Stadt in Rheinland-Pfalz praktiziert schon seit einigen Jahren den "essbaren Bezirk". "Dort wird auf öffentlichen Flächen Obst und Gemüse angebaut." Diese Arbeit erledigen vor allem Mitarbeiter von Beschäftigungsgesellschaften, aber auch interessierte Bürger. Geerntet werden können die Erträge von allen. "Und das funktioniert ohne Probleme."
Die Erfahrungen aus Andernach lassen sich aber nicht eins zu eins auf Friedrichshain-Kreuzberg übertragen, meint der Grünflächenamtsleiter. "Wir werden als Verwaltung nicht die Saat und Ernte übernehmen können." Ohnehin findet er es besser, wenn sich die Bevölkerung selbst darum kümmert. "Gruppen könnten sich zusammenfinden und ein bestimmtes Areal gemeinsam bewirtschaften." Das würde wiederum vom Bezirk zur Verfügung gestellt. Schädel denkt dabei zum Beispiel an Spielplätze. "Warum nicht auf einem Teil davon Beete anlegen?" Vor allem bei solchen Anlagen, die wegen des Abbaus maroder Spielgeräte ohnehin dezimiert sind.
Auch vor manchen Gebäuden könnten Flächen mit essbaren Pflanzen entstehen. Etwa am Rathaus Kreuzberg. Oder an weiteren Schulen.
Etwas skeptischer ist Schädel bei der Forderung nach zusätzlichen Obstbäumen im Straßenland. "Sie sind aus mehreren Gründen an vielen Standorten nicht geeignet." Etwa weil entlang von Gehwegen fallende Früchte zum Hindernis werden können. "Wobei ich ohnehin solche Pflanzen favorisieren würde, die man nicht einfach essen kann, sondern erst verarbeiten muss." Zum Beispiel Nüsse, Quitten oder Schlehen.
Kontraproduktiv sei auch der Anbau von Lebensmitteln auf Baumscheiben, wie er an manchen Stellen im Bezirk praktiziert wird. "Er kann zu Schäden an den Bäumen führen und wir kommen schwerer ran, wenn wir einen Baum untersuchen müssen."
Gelernt hat er in Andernach auch: Der essbare Bezirk ist weniger dafür gedacht, sich günstig mit Lebensmitteln zu versorgen, sondern soll den sozialen Zusammenhalt stärken. "Hier treffen sich unterschiedliche Leute und kommen miteinander in Kontakt. Der Anlass dafür ist ein gemeinsames Interesse."
Diesem Ziel ist auch die Bitte an die Nutzer geschuldet, immer nur so viel mitzunehmen, wie für eine Mahlzeit gebraucht wird. "Was auch eingehalten wird."
Ob das so auch in Friedrichshain-Kreuzberg funktioniert, bleibt abzuwarten. Klar sei natürlich, dass auch hier niemand auf einen Alleinvertretungsanspruch auf die Früchte im öffentlichen Raum habe, sagt Hilmar Schädel. Auch Gruppen, die sich für einen Bereich verantwortlich fühlen müssten damit leben, dass sich dort auch andere bedienen. Wobei sie gleichzeitig eine Art soziale Kontrolle ausüben.
Den Grünflächenamtsleiter interessiert jetzt vor allem, wie die Bevölkerung die Idee des essbaren Bezirks annimmt.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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