Kurt-Mühlenhaupt-Museum erinnert an die Galerie zinke

Die zinke-Gründer in Öl auf Papier. Gemälde von Sigurd Kuschnerus aus dem Jahr 1960. | Foto: Frey
  • Die zinke-Gründer in Öl auf Papier. Gemälde von Sigurd Kuschnerus aus dem Jahr 1960.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. Ort der Bohème und Subkultur. Diesen Ruf pflegt Kreuzberg bis heute. Seine Anfänge liegen inzwischen gut ein halbes Jahrhundert zurück. Daran erinnert derzeit eine Ausstellung im Kurt-Mühlenhaupt-Museum in der Markthalle am Marheinekeplatz.

Die Schau widmet sich der Galerie "zinke", die von 1959 bis 1962 im Hinterhof der Oranienstraße 27 existierte. Gegründet vom Maler und Schriftsteller Robert Wolfgang Schnell (1916-1988), dem Schriftsteller und Grafiker Günter Bruno Fuchs (1928-1977), Günter Anlauf (1924-2000), Bildhauer und Grafiker sowie Sigurd Kuschnerus (geboren 1933), Maler und Grafiker wurde die "zinke" während ihres relativ kurzen Bestehens zu einer Art Mutter aller folgenden, vor allem subversiven, Kreuzberger Künstlervereinigungen.

Das war zunächst noch nicht abzusehen. Aber das Atelier inmitten des damaligen Arbeiterbezirks erregte sehr schnell Aufsehen. Von einem "Klein Paris in Kreuzberg" berichteten die Zeitungen. Und erwähnten auch, dass sich in diesem Altbauquartier wohl ganz andere Motive finden lassen, als in den neu entstehenden modernen Wohnvierteln. Ein Befund aus dem Jahr 1960, geschrieben vor der Kahlschlagsanierung, die später auch in Teile von SO36 heimsuchte.

Die zinke-Gruppe setzte sich bewusst vom Mainstream des damaligen Kunstbetriebs ab. Weder mit dem sozialistischen Realismus des Ostblocks, noch mit der abstrakten Avantgarde à la USA hatten sie viel am Hut. Bei ihr sollten die Menschen im Mittelpunkt stehen, Kunst und Alltagsleben verbunden werden. Am ehesten bewegten sie sich damit in der Tradition des Miljöhmalers Heinrich Zille. Dessen später bekanntester Erbe wurde Kurt Mühlenhaupt, der ebenfalls zum Kreis in der Oranienstraße gehörte.

Ebenso wie der Maler Friedrich Schröder-Sonnenstern. Ihm verdankte das Künstlerkollektiv das, was jede Avantgarde braucht, um auch außerhalb ihres Umfeldes wahrgenommen zu werden - einen Skandal. Er datiert auf den 28. November 1960. An diesem Tag wurde im Rathaus Kreuzberg eine Weihnachtsausstellung mit Werken von Kunstschaffenden aus dem Bezirk eröffnet. Schröder-Sonnensterns Darstellung nackter Frauenbrüsten und Hintern stießen allerdings ebenso auf Unmut, wie seine als Ohren und Nasen verfremdeten Penisse. Vor allem auch deshalb, weil sie ausgerechnet auf dem Flur des Jugendamtes hätten präsentiert werden sollen. Die Amtsleiterin protestierte beim damaligen Bürgermeister Willy Kressmann (SPD). Der verfügte daraufhin, dass die Werke im Vorraum des BVV-Saal zu sehen sind. Allerdings nur für Menschen, die "die entsprechende sittliche Reife dafür mitbringen". Das lehnten die zinke-Mitglieder ab. Nachdem Kressmann die Ausstellung eröffnet hatte, kündigen sie den Auszug an und hängten ihre Bilder ab.

Nicht nur diese Auseinandersetzungen machten die Gruppe bekannt. Auch eine wochenlange Präsenz des Bilderzyklus "Nonnen" von Günter Grass und der regelmäßigen abendlichen Auftritt des damals gerade mit der "Blechtrommel" berühmt gewordenen Schriftstellers in der Oranienstraße sorgten für Aufmerksamkeit. Und bis zum Mauerbau 1961 war dort eine Anlaufstelle für Künstler aus Ost und West. Danach ging es aber sehr schnell bergab. "Die Hinterhofgalerie wurde ein Opfer des Alkohols, des Finanzamtes und anderer finanzieller Widrigkeiten", heißt es in einem im vergangenen Jahr erschienenen Buch.

Was damals begann, setzte sich allerdings in Kreuzberg fort. Oft unter Mithilfe der zinke-Aktivisten. Daran wird im Mühlenhaupt-Museum noch bis 22. März erinnert. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 8 bis 20, Sonnabend, 8 bis 18 Uhr. Danach folgen bis Ende 2015 weitere Ausstellungen, die wichtigen Vertretern der Kreuzberger Bohème gewidmet sind.

Zinke-Mitbegründer Günter Bruno Fuchs steht außerdem im Mittelpunkt einer Lesung, die am Dienstag, 11. März ab 19 Uhr in der Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, in Schöneberg stattfindet. Der Eintritt ist frei.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 289× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 254× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 639× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.215× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.