Kurt-Mühlenhaupt-Museum erinnert an die Galerie zinke
Die Schau widmet sich der Galerie "zinke", die von 1959 bis 1962 im Hinterhof der Oranienstraße 27 existierte. Gegründet vom Maler und Schriftsteller Robert Wolfgang Schnell (1916-1988), dem Schriftsteller und Grafiker Günter Bruno Fuchs (1928-1977), Günter Anlauf (1924-2000), Bildhauer und Grafiker sowie Sigurd Kuschnerus (geboren 1933), Maler und Grafiker wurde die "zinke" während ihres relativ kurzen Bestehens zu einer Art Mutter aller folgenden, vor allem subversiven, Kreuzberger Künstlervereinigungen.
Das war zunächst noch nicht abzusehen. Aber das Atelier inmitten des damaligen Arbeiterbezirks erregte sehr schnell Aufsehen. Von einem "Klein Paris in Kreuzberg" berichteten die Zeitungen. Und erwähnten auch, dass sich in diesem Altbauquartier wohl ganz andere Motive finden lassen, als in den neu entstehenden modernen Wohnvierteln. Ein Befund aus dem Jahr 1960, geschrieben vor der Kahlschlagsanierung, die später auch in Teile von SO36 heimsuchte.
Die zinke-Gruppe setzte sich bewusst vom Mainstream des damaligen Kunstbetriebs ab. Weder mit dem sozialistischen Realismus des Ostblocks, noch mit der abstrakten Avantgarde à la USA hatten sie viel am Hut. Bei ihr sollten die Menschen im Mittelpunkt stehen, Kunst und Alltagsleben verbunden werden. Am ehesten bewegten sie sich damit in der Tradition des Miljöhmalers Heinrich Zille. Dessen später bekanntester Erbe wurde Kurt Mühlenhaupt, der ebenfalls zum Kreis in der Oranienstraße gehörte.
Ebenso wie der Maler Friedrich Schröder-Sonnenstern. Ihm verdankte das Künstlerkollektiv das, was jede Avantgarde braucht, um auch außerhalb ihres Umfeldes wahrgenommen zu werden - einen Skandal. Er datiert auf den 28. November 1960. An diesem Tag wurde im Rathaus Kreuzberg eine Weihnachtsausstellung mit Werken von Kunstschaffenden aus dem Bezirk eröffnet. Schröder-Sonnensterns Darstellung nackter Frauenbrüsten und Hintern stießen allerdings ebenso auf Unmut, wie seine als Ohren und Nasen verfremdeten Penisse. Vor allem auch deshalb, weil sie ausgerechnet auf dem Flur des Jugendamtes hätten präsentiert werden sollen. Die Amtsleiterin protestierte beim damaligen Bürgermeister Willy Kressmann (SPD). Der verfügte daraufhin, dass die Werke im Vorraum des BVV-Saal zu sehen sind. Allerdings nur für Menschen, die "die entsprechende sittliche Reife dafür mitbringen". Das lehnten die zinke-Mitglieder ab. Nachdem Kressmann die Ausstellung eröffnet hatte, kündigen sie den Auszug an und hängten ihre Bilder ab.
Nicht nur diese Auseinandersetzungen machten die Gruppe bekannt. Auch eine wochenlange Präsenz des Bilderzyklus "Nonnen" von Günter Grass und der regelmäßigen abendlichen Auftritt des damals gerade mit der "Blechtrommel" berühmt gewordenen Schriftstellers in der Oranienstraße sorgten für Aufmerksamkeit. Und bis zum Mauerbau 1961 war dort eine Anlaufstelle für Künstler aus Ost und West. Danach ging es aber sehr schnell bergab. "Die Hinterhofgalerie wurde ein Opfer des Alkohols, des Finanzamtes und anderer finanzieller Widrigkeiten", heißt es in einem im vergangenen Jahr erschienenen Buch.
Was damals begann, setzte sich allerdings in Kreuzberg fort. Oft unter Mithilfe der zinke-Aktivisten. Daran wird im Mühlenhaupt-Museum noch bis 22. März erinnert. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 8 bis 20, Sonnabend, 8 bis 18 Uhr. Danach folgen bis Ende 2015 weitere Ausstellungen, die wichtigen Vertretern der Kreuzberger Bohème gewidmet sind.
Zinke-Mitbegründer Günter Bruno Fuchs steht außerdem im Mittelpunkt einer Lesung, die am Dienstag, 11. März ab 19 Uhr in der Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, in Schöneberg stattfindet. Der Eintritt ist frei.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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