Verein Unterwelten führt durch den Gasometer
Die Gruppe kommt aus dem Hort KiezCompanyII aus Waidmannslust und hat sich für die Kinderführung beim Verein Berliner Unterwelten durch den Gasometer in der Fichtestraße angemeldet. "Das Angebot klang interessant", sagt Erzieherin Ines Müller. "Und der Fichtebunker ist ein Ort, wo die Kinder noch nicht unbedingt waren."Der massive Rundbau, 1874-1876 als Gasspeicher errichtet, wurde im zweiten Weltkrieg zu einem Mutter- Kind-Bunker umgebaut. Bis zu 20 000 Menschen fanden hier in manchen Bombennächten Schutz. Auf dem Dach wurden vor einigen Jahren Luxusappartements errichtet. Zwei Stockwerke hat der verein Unterwelten gemietet und in großen Teilen originalgetreu rekonstruiert. Seit 2009 gibt es dort Exkursionen für Erwachsene, seit vergangenem Jahr zusätzlich spezielle Bunkertouren für Kinder.
Die Idee hatte Unterwelten-Mitarbeiter Karsten Kümmel, der auch die Gruppe aus Waidmannslust durch das Gemäuer führt. Selbst kleinen Kindern könne man schwierige Themen wie Krieg und Zerstörung nahe bringen, meint der 30-Jährige. Am besten gehe das an einem einstigen Originalschauplatz. Und natürlich durch eine altersgerechte Ansprache.
Im Fichtebunker stehen in manchen Zimmern noch Bettgestelle, die einen Eindruck vermitteln, wie die Menschen damals untergebracht waren. In der einstigen Krankenstation finden sich medizinische Geräte wie ein mechanischer Zahnarztbohrer. Eine Puppe liegt dort im Bett. "Hier wurden während des Krieges Babys geboren", erklärt Karsten Kümmel seinen jungen Besuchern.
Die Kinder erfahren auch, dass ihre Altersgenossen vor rund 70 Jahren in den Gängen tobten und sich in Hohlräumen versteckten. Sie durchstreifen die Sanitär- und Technikräume und stehen vor einer Vitrine mit Konservendosen. Denn nach dem Krieg diente der Bunker lange als Lagerstätte für die sogenannte Senatsreserve. Hier wurden Lebensmittel gehortet, sollte es erneut, wie 1948/49 zu einer Blockade kommen.
Gegen Ende der Tour kommt die Gruppe zu einer nachgebauten Trümmerlandschaft. Zerbombte Mauern, Schutt, ein Bollerwagen mit wenigen Habseligkeiten. Dazwischen persönliche Gegenstände, Fotos. So habe es bei Kriegsende in den meisten Städten ausgesehen, bekommt sie zu hören. "Viele Leute hatten keine Wohnung mehr, Kinder irrten durch die Straßen, suchten ihre Eltern."
Als Kontrast folgt danach der Gang durch einen abgedunkelten Bereich. Mit Hilfe mitgebrachter Taschenlampen soll hier noch einmal vieles entdeckt und im wahrsten Sinne des Wortes ausgeleuchtet werden. Etwa das Bärensymbol, das als Zeichen an verschiedenen Wänden immer wieder auftauchte und von den Kindern erkannt werden musste.
Der Abschnitt im Dunkeln blieb vielen zunächst als stärkster Eindruck in Erinnerung. Aber schon während der Tour und erst recht danach kamen Fragen und Aussagen, die zeigten, wie sehr sie die Erlebnisse der einstündigen Exkursion beschäftigten. Etwa, wenn, manchmal zwischen den Zeilen, nachgehakt wurde, warum die Leute damals überhaupt in den Bunker mussten und weshalb es eigentlich so eine blöde Sache wie den Krieg gab? Karsten Kümmel fand auch dafür Antworten. "Einen Krieg können sich nur Erwachsene ausdenken. Aber ihr könnt es anders machen, wenn ihr groß seid."
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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