"Unsere Zielgruppe ist einfach nicht marktfähig"
Ambulanz für Heroinabhängige droht die Schließung

In der Ambulanz können sich schwer Drogenabhängige Methadon oder Subutex abholen.   | Foto:  AID Kreuzberg
  • In der Ambulanz können sich schwer Drogenabhängige Methadon oder Subutex abholen.
  • Foto: AID Kreuzberg
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Berlins älteste und größte Substitutionsambulanz für Heroinabhängige steht vor dem Aus. Zum Jahresende läuft der Mietvertrag an der Kochstraße aus. Neue Räume sind bislang nicht gefunden. Der Senat prüft jetzt eine Containerlösung für den Übergang.

Seit fast 20 Jahren gibt es die Ambulanz für Integrierte Drogenhilfe (AID) an der Kochstraße, unweit vom Checkpoint Charlie. Dort werden 350 schwerstsuchterkrankte Menschen behandelt und betreut. Nun steht die Praxis vor dem Aus. Zum 31. Dezember muss sie schließen. Dem Träger Notdienst Berlin wurde der Mietvertrag nicht verlängert.

Seit gut einem Jahr suchen die Mitarbeiter schon nach neuen Räumen. Trotz Einbindung der Politik sei die Suche bislang ergebnislos geblieben, heißt es vom Träger. „Wir haben auf dem äußerst angespannten Immobilienmarkt ohne Hilfe keinerlei Chance. Suchterkrankte Menschen zählen selten zu den Favoriten von Vermietern“, sagt Michael Frommhold, Geschäftsführer vom Verein Notdienst Berlin. „Wir sind mit unserer Zielgruppe einfach nicht marktfähig.“ Frommhold kritisiert, dass es von der Gesundheitssenatorin „keinerlei Reaktion auf unsere Bitte nach Unterstützung“ gab. Andere Politiker hätten zwar Verständnis gezeigt. „Konkret verantwortlich für die Lösung des Problems fühlt sich bis heute aber niemand.“ Laut Medienberichten überprüft der Senat inzwischen eine Containerlösung für den Übergang, sollte die Ambulanz keine neuen Räume finden. Auch könnte der Mietvertrag mit der Malteser-Stiftung als Vermieterin um vier Wochen verlängert werden. Die Integrierte Drogenhilfe hätte dann einen Aufschub bis Ende Januar 2022.

In der Ambulanz können sich schwer Drogenabhängige ihre Substitutionsmedikamente wie Methadon und Subutex abholen. Die Patientinnen und Patienten werden vor Ort von drei Ärzten medizinisch betreut und von acht Sozialarbeitern psychosozial beraten. „Mit unserer Arbeit retten wir täglich Leben. Wir verhindern Todesfälle und behandeln Infektionskrankheiten, zum Beispiel Hepatitis. Wir reduzieren die Beschaffungskriminalität und sorgen für ein sicheres Berlin“, teilt der Verein mit. Denn wenn Suchtkranke legale Medikamente erhalten, müssten sie nicht täglich bis zu 50 Euro für den „Stoff organisieren“. Außerdem könnten Menschen in der Substitution häufig das erste Mal wieder arbeiten gehen und seien damit nicht mehr auf staatliche Unterstützungen angewiesen. „Substituierte Menschen sind auch häufig Eltern, wir helfen ihnen und ihren Kindern ein stabiles Familienleben zu führen. Und wir unterstützen unsere Patienten bei Wohnungslosigkeit, helfen ihnen, ihre Schulden in den Griff zu bekommen.“

Muss die Ambulanz ersatzlos schließen, werden „mindestens 350 schwerstsuchterkrankte Patienten von einem Tag auf den anderen auf der Straße stehen“, sagt Norbert E. Lyonn, leitender Suchtmediziner der AID Kreuzberg. Eine rechtzeitige Vermittlung in andere Berliner Hausarztpraxen werde nur in Einzelfällen und mit großer Anstrengung möglich sein, denn in Berlin gebe es schon jetzt viel zu wenige substituierende Ärzte.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

53 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 102× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 57× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 467× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.064× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.