Das Flüchtlingsdrama in Kreuzberg und seine Folgen
Was wollen die Flüchtlinge erreichen?
Sie fordern ein uneingeschränktes Bleiberecht in Deutschland. Das lehnt der Senat ab und bietet stattdessen eine Einzelfallprüfung an. Damit sei aber vielen Betroffenen nicht geholfen, meinen deren Unterstützer und Anwälte und verweisen auf Erfahrungen nach dem Abzug vom Oranienplatz. Es hilft etwa den Flüchtlingen nicht, deren Verfahren bereits in anderen Bundesländern anhängig und möglicherweise abgelehnt worden sind. Berlin werde beim Asylrecht keinen Alleingang unternehmen, bekräftigte Innensenator Frank Henkel (CDU).
Wie agiert der Bezirk?
Die Verantwortlichen in Friedrichshain-Kreuzberg haben in den vergangenen Wochen auf eine Lösung in der besetzten Schule gedrängt. Vom Senat verlangten sie Ausweichquartiere für die Bewohner. Dem ist die Landesregierung vor allem in Person von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) nachgekommen und hat Unterkünfte für etwa 200 Personen in Spandau und Charlottenburg zur Verfügung gestellt. Nach den Problemen forderte Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne) ein weiteres Entgegenkommen von Senator Henkel. Klar gemacht hat der Bezirk, dass er das Gebäude nicht räumen lassen will.
Wie war das Szenario für den Auszug?
Es wurde öffentlich erst kurzfristig bekannt. Am 20. Juni informierte Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis 90/Grüne) die Flüchtlinge, dass sie sich auf einen Umzug "eher in Tagen, als ich Wochen" einzustellen haben. Am Morgen des 24. Juni gab es grünes Licht vom Senat, sofort danach begann die Aktion. Dass sie einen längeren Vorlauf hatte, zeigte sich aber schon daran, dass allein an diesem Tag etwa 900 Polizisten rund um die Schule im Einsatz waren. Sie kamen teilweise auch aus anderen Bundesländern.
Wie kam es dann zur Eskalation?
Rund 40 Besetzer weigerten sich, das Gebäude zu verlassen. Einige drohten, sich vom Dach zu stürzen, auch von Brandsätzen und Molotowcocktails war die Rede. Mit dieser Gefahrenlage werden vor allem die weitreichenden Sperren um die Schule begründet. Von den Flüchtlingen gehe keine Gefahr für die Allgemeinheit aus, meinen dagegen ihre Unterstützer. Die Ankündigung, sich gegebenenfalls das Leben zu nehmen, zeige vielmehr ihre verzweifelte Lage. Einen Einblick in die angespannte Situation gab Stadtrat Panhoff. Er wurde vor Betreten des Gebäudes mit einer Schutzweste ausgestattet, die mögliche Messerstiche abwehren soll. "Ein ziemlich unbequemes Kleidungsstück", sagte er.
Was sind die Folgen für den Kiez?
Von der Lausitzer bis zur Ohlauer Straße ist das Gebiet abgesperrt. Die Buslinie M29 fährt derzeit bis zur Glogauer Straße über die Wiener, statt über die Reichenberger Straße. Bewohner und Gewerbetreibende werden von der Polizei zu ihren Häusern eskortiert. Ortsfremde kommen überhaupt nicht rein. Das gilt auch für Journalisten. Laden- oder Restaurantbesitzer machen keinen Umsatz. Sie haben die Möglichkeit, einen Antrag auf Entschädigung bei der Wirtschaftsförderung des Bezirks zu stellen. Ob und in welcher Höhe dem stattgegeben wird, wird dann geprüft.
Wie reagieren die Anwohner?
Sie sind genervt wegen der Absperrungen. Häufig werden weniger die Flüchtlinge, sondern eher Bezirksamt, Senat oder Polizei für die Situation verantwortlich gemacht. Von Beginn an präsent war die Unterstützerszene. Sie hat an der Kreuzung Reichenberger/Ohlauer Straße einen Infopoint eingerichtet. Teilweise kam es dort und an anderen Stellen zu Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften. Am Abend des 28. Juni gab es eine Demonstration für ein Bleiberecht für Asylsuchende vom Hermannplatz zum Spreewaldplatz. An ihr beteiligten sich rund 3500 Menschen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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