Das Flüchtlingsdrama in Kreuzberg und seine Folgen

An der Ecke Reichenberger und Ohlauer Straße trifft sich die Unterstützerszene. | Foto: Frey
  • An der Ecke Reichenberger und Ohlauer Straße trifft sich die Unterstützerszene.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. Die Situation an der Gerhart-Hauptmann-Schule ist festgefahren. Davon betroffen sind nicht nur die unmittelbar Beteiligten. Fragen und Antworten zum Flüchtlingsdrama.

Was wollen die Flüchtlinge erreichen?

Sie fordern ein uneingeschränktes Bleiberecht in Deutschland. Das lehnt der Senat ab und bietet stattdessen eine Einzelfallprüfung an. Damit sei aber vielen Betroffenen nicht geholfen, meinen deren Unterstützer und Anwälte und verweisen auf Erfahrungen nach dem Abzug vom Oranienplatz. Es hilft etwa den Flüchtlingen nicht, deren Verfahren bereits in anderen Bundesländern anhängig und möglicherweise abgelehnt worden sind. Berlin werde beim Asylrecht keinen Alleingang unternehmen, bekräftigte Innensenator Frank Henkel (CDU).

Wie agiert der Bezirk?

Die Verantwortlichen in Friedrichshain-Kreuzberg haben in den vergangenen Wochen auf eine Lösung in der besetzten Schule gedrängt. Vom Senat verlangten sie Ausweichquartiere für die Bewohner. Dem ist die Landesregierung vor allem in Person von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) nachgekommen und hat Unterkünfte für etwa 200 Personen in Spandau und Charlottenburg zur Verfügung gestellt. Nach den Problemen forderte Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne) ein weiteres Entgegenkommen von Senator Henkel. Klar gemacht hat der Bezirk, dass er das Gebäude nicht räumen lassen will.

Wie war das Szenario für den Auszug?

Es wurde öffentlich erst kurzfristig bekannt. Am 20. Juni informierte Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis 90/Grüne) die Flüchtlinge, dass sie sich auf einen Umzug "eher in Tagen, als ich Wochen" einzustellen haben. Am Morgen des 24. Juni gab es grünes Licht vom Senat, sofort danach begann die Aktion. Dass sie einen längeren Vorlauf hatte, zeigte sich aber schon daran, dass allein an diesem Tag etwa 900 Polizisten rund um die Schule im Einsatz waren. Sie kamen teilweise auch aus anderen Bundesländern.

Wie kam es dann zur Eskalation?

Rund 40 Besetzer weigerten sich, das Gebäude zu verlassen. Einige drohten, sich vom Dach zu stürzen, auch von Brandsätzen und Molotowcocktails war die Rede. Mit dieser Gefahrenlage werden vor allem die weitreichenden Sperren um die Schule begründet. Von den Flüchtlingen gehe keine Gefahr für die Allgemeinheit aus, meinen dagegen ihre Unterstützer. Die Ankündigung, sich gegebenenfalls das Leben zu nehmen, zeige vielmehr ihre verzweifelte Lage. Einen Einblick in die angespannte Situation gab Stadtrat Panhoff. Er wurde vor Betreten des Gebäudes mit einer Schutzweste ausgestattet, die mögliche Messerstiche abwehren soll. "Ein ziemlich unbequemes Kleidungsstück", sagte er.

Was sind die Folgen für den Kiez?

Von der Lausitzer bis zur Ohlauer Straße ist das Gebiet abgesperrt. Die Buslinie M29 fährt derzeit bis zur Glogauer Straße über die Wiener, statt über die Reichenberger Straße. Bewohner und Gewerbetreibende werden von der Polizei zu ihren Häusern eskortiert. Ortsfremde kommen überhaupt nicht rein. Das gilt auch für Journalisten. Laden- oder Restaurantbesitzer machen keinen Umsatz. Sie haben die Möglichkeit, einen Antrag auf Entschädigung bei der Wirtschaftsförderung des Bezirks zu stellen. Ob und in welcher Höhe dem stattgegeben wird, wird dann geprüft.

Wie reagieren die Anwohner?

Sie sind genervt wegen der Absperrungen. Häufig werden weniger die Flüchtlinge, sondern eher Bezirksamt, Senat oder Polizei für die Situation verantwortlich gemacht. Von Beginn an präsent war die Unterstützerszene. Sie hat an der Kreuzung Reichenberger/Ohlauer Straße einen Infopoint eingerichtet. Teilweise kam es dort und an anderen Stellen zu Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften. Am Abend des 28. Juni gab es eine Demonstration für ein Bleiberecht für Asylsuchende vom Hermannplatz zum Spreewaldplatz. An ihr beteiligten sich rund 3500 Menschen.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 231× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 544× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 523× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 942× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.