Áktion Schichtwechsel
Menschen mit und ohne Behinderung tauschten für einen Tag ihre Arbeitsplätze

Anton Krüger (links) von der Union Sozialer Einrichtungen stellte Berliner-Woche-Chefredakteur Helmut Herold viele Fragen zum Layout und zur Zeitungsproduktion. | Foto: Foto: Christian Hahn
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  • Anton Krüger (links) von der Union Sozialer Einrichtungen stellte Berliner-Woche-Chefredakteur Helmut Herold viele Fragen zum Layout und zur Zeitungsproduktion.
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Zum Schichtwechsel am 11. Oktober tauschten Mitarbeiter von Berliner Unternehmen für einen Tag ihren Arbeitsplatz mit Angestellten der Werkstätten für behinderte Menschen. Die Aktion soll helfen, Einblicke zu gewinnen und Vorurteile abzubauen. Die Berliner Woche war wieder mit dabei.

Anton Krüger aus der Öffentlichkeitsarbeit der Union Sozialer Einrichtungen hat in seinem Job viel zu organisieren, etwa wenn es darum geht, dass genügend Flyer auf einer Veranstaltung verfügbar sind, die richtigen Banner ankommen und jemand alles von A nach B fährt. Bei der Öffentlichkeitsarbeit ist es ganz wichtig, stets den Überblick zu behalten – genau wie in einer Redaktion, stellte Krüger bei der Berliner Woche fest.

Texte korrigieren, sie online stellen und nach Layoutvorgaben am Computer in die Zeitung einpassen, das alles in einem Redaktionssystem mit vielfältigen Funktionen – Krüger hatte viel zu verarbeiten an diesem einen Tag. Und da er nicht nur zuschauen wollte, schrieb er für die Berliner Woche einen Artikel über die Bereitstellung von Wohnungen für Obdachlose.

„Die vielen Arbeitsabläufe mitzubekommen, fand ich sehr spannend“, sagt er. Besonders gefällt ihm das Kreative: Themen zu finden und über sie zu schreiben. „Dabei kann man etwas Eigenes erschaffen und zeigen, wozu man in der Lage ist.“ Genau darum soll es bei der Aktion Schichtwechsel gehen: zu zeigen, was die Mitarbeiter in Werkstätten für behinderte Menschen eigentlich so leisten können. Das Konzept ist simpel: Angestellte von Berliner Unternehmen verbringen einen Tag in einer Werkstatt, dafür kommen Mitarbeiter von dort an ihren Arbeitsplatz. Durch den Stellentausch bekommen sie Einblicke in die jeweils andere Arbeitswelt. So wollen die Werkstätten Vorurteile abbauen.

Kontakt zum ersten Arbeitsmarkt

Denn immer noch sind die Chancen für Menschen mit Behinderung schlecht, auf dem ersten Arbeitsmarkt tatsächlich einen Job zu finden. Oft werden sie unterschätzt. Dabei sind die Mitarbeiter der Werkstätten längst wichtige Dienstleister und stellen in diversen Branchen Produkte von hoher Qualität her.

Werkstätten sollen Orte der beruflichen Rehabilitation sein, Übergangszonen in den ersten Arbeitsmarkt, wo die Mitarbeiter Berufspraxis bekommen, angeleitet und ausgebildet werden – angepasst an ihre individuellen Möglichkeiten. An dieser Strategie gab es in den vergangenen Jahren jedoch immer wieder Kritik. Die Werkstätten seien viel zu oft Einbahnstraßen für die Mitarbeiter, die dort in zu geringem Maße qualifiziert würden, um langfristig eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt zu haben. Das moniert etwa die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland.

Dazu kommt, dass behinderte Menschen in Werkstätten nur einen „arbeitnehmerähnlichen“ Status haben, das heißt, sie verdienen wesentlich weniger, als jemand anderes für dieselbe Arbeit bekäme. Dies wird mit geringerer Leistungsfähigkeit begründet. In Berlin verdient ein Mitarbeiter in einer Werkstatt oft nur 100 bis 200 Euro pro Monat, teilweise für einen 35-Stunden-Job. Fair finden die Werkstätten diesen gesetzlichen Rahmen selbst nicht. So spricht sich etwa Bettina Neuhaus, die Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen, dafür aus, Sonderzahlungen wie ein Weihnachtsgeld nicht mehr auf die Grundsicherung anzurechnen, auf die die Mitarbeiter angewiesen sind. Und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten begrüßt das seit Januar verfügbare Budget für Arbeit. Dieses soll Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten zugänglicher machen: Arbeitgeber können Lohnzuschüsse und Betreuungskosten erhalten, wenn sie eine sozialversicherungspflichtige Stelle mit einem behinderten Menschen besetzen.

Der Weg hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt ist trotzdem noch lang. Während weiter um faire und sinnvolle Maßnahmen gerungen wird, ist der Schichtwechsel ein ganz praktischer Lösungsansatz. Denn er bringt den ersten Arbeitsmarkt mit eben jenen Menschen zusammen, die dort zu wenig Chancen bekommen.

Mit sehr viel Einsatz

Wie viel Leistung Werkstattmitarbeiter erbringen, davon konnte sich Barbara Biemann aus der Abteilung Planung und Produktion der Berliner Woche beim Schichtwechsel überzeugen. Sie verbrachte den Tag im Tierpark Neukölln in der Hasenheide. Der Mini-Zoo wird von der Union Sozialer Einrichtungen betrieben. „Ich war beeindruckt, was für harte körperliche Arbeit die Mitarbeiter dort stemmen, mit vollem Herzen und in Schichten sieben Tage die Woche“, sagt sie.

Bei ihrem Schichtwechsel mistete sie die Gehege aus, half Futterspenden zu sortieren und zu portionieren und begleitete eine Führung für Kinder. Von den Mitarbeitern des Tierparks ist sie nachhaltig begeistert: „Der Tag war für mich sehr bereichernd. Ich habe herzliche Menschen mit ausgesprochen viel Einsatzbereitschaft kennengelernt.“

Autor:

Josephine Macfoy aus Schöneberg

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