"Unbeschreiblich weiblich": Karin Reichel ist neue Chefin im FrauenComputerZentrum
Im Saal waren fast ausschließlich Frauen. Mitarbeiterinnen, Mitstreiterinnen oder solche, die in ihrer Funktion eine Verbindung zu der Einrichtung haben.
Und die schon naheliegende Zusammensetzung des Publikums geriet dann auch zu einer Bestandsaufnahme der aktuellen Frauenpolitik und des Feminismus. Festgemacht am FrauenComputerZentrum und den beiden Hauptpersonen der Veranstaltung. Bei denen handelte es sich um Renate Wielpütz und Karin Reichel. Die erste war seit den Anfängen vor 33 Jahren Geschäftsführerin des FrauenComputerZentrums in der Cuvrystraße. Die zweite ist seit September ihre Nachfolgerin. Offiziell erfolgte die Stabübergabe am 1. Dezember.
Das FrauenComputerZentrum entstand 1984 als sogenannte Graswurzelbewegung, also als Projekt von unten, initiiert von einigen Aktivistinnen. Von Beginn an hatte es ein konkretes Ziel verbunden mit einem gesellschaftlichen Überbau. Er bestand schon damals auf dem Recht nach gleicher Teilhabe von Frauen. Gerade auch im Beruf. Erreicht werden sollte das nicht zuletzt durch entsprechende Kenntnisse, die das neue Computerzeitalter abverlangte. Denn, darauf wiesen mehrere Beiträge hin, die damalige Zeit hätte sich von der heutigen nicht besonders unterschieden. Auch in den 1980er-Jahren sei von einer technischen Revolution die Rede gewesen, die unser Arbeits- aber auch sonstiges Leben völlig umgestalten werde. Und das Aufkommen der Commodore-Computer und anderer Fabrikate, die inzwischen längst als Steinzeitrelikte gelten, hätten außer für Fortschritt und neue Chancen auch für manche Befürchtungen gestanden. Sie gerade Frauen zu nehmen, ihnen zu vermitteln, dass ein schneller Einstieg in die neue Technik die Möglichkeit biete, nicht nur beruflich durchzustarten, dafür stand und steht das ComputerZentrum.
Seit 1984 haben mehrere hundert Kurse stattgefunden. Sie wandten sich an Teilnehmerinnen aller Altersgruppen, an solche ohne jede Erfahrung ebenso wie an andere, die wieder ins Arbeitsleben einsteigen wollten, oder, wie in den vergangenen Jahren, verstärkt an geflüchtete Frauen. Und nicht nur bei ihnen bedeutet Computerwissen sich selbstständig zurechtzufinden, eigene Kenntnisse zu entdecken oder auszubauen, damit Selbstbewusstsein entwickeln und sich in gewisser Weise autark zu machen.
Womit wir dann auch beim gesellschaftlichen Anliegen wären, das sowohl Renate Wielpütz, als auch Karin Reichel personifizieren. Nicht nur deshalb, weil sich beide als Feministinnen bezeichnen. Schon bevor sie Mitbegründerin des Zentrums wurde, war Renate Wielpütz in der beruflichen Erwachsenenbildung engagiert. Bereits während ihres Studiums lag ihr Schwerpunkt auf der Situation der Frauen. Auch im Universitätsbetrieb.
Karin Reichels Berufsleben wechselte bisher zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie war Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, außerdem beriet sie als Freiberuflerin Unternehmen zur Organisations- und Personalentwicklung. Der gleichstellungspolitische Anspruch sei ausschlaggebend für ihre Bewerbung gewesen, sagt die 52-Jährige. Und da gebe es noch immer eine Menge zu tun. Denn trotz mehr als 30-jähriger Arbeit und mancher Karrieren, die nach dem Besuch des FrauenComputerZentrums gestartet sind, von einer wirklichen Augenhöhe zwischen den Geschlechtern könne noch immer keine Rede sein. Auch die Politik sei weiter gefordert, abseits mancher gewürdigter Bemühungen, gerade in Berlin.
Was auch Barbara König (SPD), Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Integration, Frauen und Gleichstellung, einräumte. Umso wichtiger wären solche Institutionen wie die Einrichtung an der Cuvrystraße, wo Frauen auch über die Fortbildung hinaus Rat und Hilfe bekämen. Und die mit dazu beitragen, ein anderes Bild zu vermitteln. Naturwissenschaften und Technik seien auch Fächer für Mädchen, sie seien dort nicht nur "Deko", wie manchmal auf T-Shirts zu lesen sei. Was teilweise auch die Frage beantwortete, warum es auch heute noch ein Computerzentrum nur für Frauen geben müsse. Ohne männliche Kursteilnehmer wäre schon die Atmosphäre eine andere, lautet ein Argument. Frauen würden sich mehr trauen, wenn sie unter ihresgleichen wären, denn die meisten Herren hätten nun einmal die Angewohnheit zur Dominanz. Insgesamt gehe es um das Wir-Gefühl. Sie seien eben "unbeschreiblich weiblich", brachte das Renate Wielpütz auf den Punkt. Sie selbst gab zwar jetzt ihren Chefinnenposten auf, weiter mitmischen als feministische Kämpferin will sie aber auch in Zukunft.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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