Viel Aktionismus nach der jüngsten Eskalation
Seit der jüngsten Gewalteskalation will vor allem Innensenator Frank Henkel (CDU) den Vorwurf entkräften, der Görli und seine Umgebung werde inzwischen sich selbst überlassen.
Dabei sind solche Einsätze nicht neu. Allein seit Mai ist die Polizei rund 350 Mal in und rund um die Anlage aufgetaucht. Aber zum ersten Mal scheint dahinter eine Art Konzept zu stehen. So haben die Beamten zuletzt verstärkt Jagd auf Dealer gemacht, die per Fahrrad unterwegs waren. Rund ein Dutzend Drahtesel wurden allein am 19. November aus dem Verkehr gezogen. Die radelnden Drogenhändler haben bisher meist ihre Kumpane gewarnt, wenn eine erneute Razzia drohte. Auch Spürhunde scheinen jetzt regelmäßig im Einsatz zu sein. Sie sollen den versteckten Stoff in den Erdbunkern ausfindig machen.
"Die Dealer und ihre Kunden auf Trab halten", wird in Polizeikreisen dieses Vorgehen umschrieben. Wobei allerdings auch schon manche Stimmen darauf hinweisen, dieser Großeinsatz lasse sich nicht ewig durchhalten.
Er soll aber laut Innensenator zumindest so lange andauern, bis die angekündigte sogenannte Task Force arbeitsfähig ist. Polizei, Justiz, Ausländerbehörde und der Bezirk sollen gemeinsam den Drogenhandel und seine Auswüchse zurückdrängen.
Parallel dazu ist auch der Bezirk aktiv geworden. Am 24. und 25. November wurden Hecken und Sträucher gestutzt, uneinsehbare Ecken und Schleichwege sollen verschwinden. Alles mit dem Ziel, Drogenverstecke zu minimieren und das Sicherheitsgefühl zu verstärken. Denn ebenso wie Henkel stehen auch die Verantwortlichen in Friedrichshain-Kreuzberg seit den Ereignissen vom 15. November unter Zugzwang.
Wie berichtet waren am frühen Morgen dieses Tages der Betreiber und der Mitarbeiter einer Shisha-Bar in der Skalitzer Straße auf zwei mutmaßliche Drogendealer losgegangen und hatten sie mit Messern schwer verletzt. Im Gegenzug verwüsteten Sympathisanten der Opfer am Morgen des gleichen Tages das Lokal und steckten einige Stunden später ein Möbelstück auf dem Gehweg in Brand. Danach machte das Schlagwort vom "rechtsfreien Raum" rund um den Görlitzer Park die Runde.
Schon zuvor saß der Frust über die in ihren Augen weitgehende Untätigkeit bei vielen Anwohnern und Geschäftsleuten tief. Viele fühlen sich allein gelassen. Anscheinend auch der Barbesitzer, der schließlich zum Messer griff. Rund 70 Mal, so wurde nach der Tat bekannt, hatte er in den vergangenen Monaten die Polizei alarmiert. Zum Beispiel, weil Dealer vor seinem Lokal Drogenverstecke anlegten oder in seinen Räumen Handel treiben wollten.
Der Görlitzer Park ist inzwischen zum Stichwort für das Problem einer ganzen Gegend geworden. Denn gehandelt und verkauft wird längst nicht mehr nur in der Grünanlage, sondern auch am U-Bahnhof Görlitzer Park, entlang der Skalitzer Straße. Die Drogenmeile zieht sich bis nach Friedrichshain, wo sich rund um das RAW-Gelände an der Revaler Straße ein zweiter großer Rauschgiftumschlagplatz im Bezirk gebildet hat.
Ob der jetzt eingesetzte Aktionismus das Problem löst, bleibt abzuwarten. Aber zumindest scheint seine Tragweite jetzt allgemein erkannt worden zu sein.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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