Von der Verantwortung für die Schöpfung
Warum eine evangelische Gemeinde einen Gottesdienst für Mensch und Tier abhält

Eine besondere Mensch-Tier-Beziehung: Peter Neumann mit Papagei Rudi. | Foto: Markus Heil
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  • Eine besondere Mensch-Tier-Beziehung: Peter Neumann mit Papagei Rudi.
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Fünf Hunde und ein Papagei wurden 2017 im Gottesdienst für Mensch und Tier in der St. Jacobi-Kirche gesegnet. Dieses Jahr soll das Angebot bekannter, die Runde größer werden. Mit dabei ist wieder Gemeindemitglied Peter Neumann. Er hat den Pfarrern im vergangenen Jahr die entscheidende Frage gestellt: Wieso eigentlich werden Tiere nicht gesegnet?

Peter Neumann liebt seinen Graupapagai Rudi. Stundenlang könnte er Anekdoten über das mehr als vierzig Jahre alte Familienmitglied erzählen. Das macht er auch gerne, mit einem zärtlichen Schmunzeln auf den Lippen. Rudi hat in der Evangelischen Kirchengemeinde in Kreuzberg-Mitte einen besonderen Status. Ein Bild von ihm hängt im Gemeindekeller der St. Jacobi-Kirche und oft bringt ihm Neumann Häppchen von gemeinsamen Mahlzeiten mit nach Hause. „Das eben, was Rudi essen kann.“ Mit Rudi hat alles angefangen.

2017 begann sich Neumann Gedanken zum Verhältnis von Menschen und Tieren in der Kirche zu machen. Eigentlich müssten auch Tiere gesegnet werden, fand er – und fragte prompt in seiner Kirche für Rudi an. „Die Pfarrer waren gleich sehr aufgeschlossen“, erzählt er. „Ein halbes Jahr später hatten wir den ersten Tiergottesdienst“.

Kirche und Tierschutz: ein schwieriges Thema

Im Garten der Jacobi-Kirche, kurz vor dem Moritzplatz, wurden schon im September 2017 Halter und ihre Tiere in lockerer Atmosphäre gesegnet. Das Konzept ist keine Kreuzberger Premiere. Auch andere deutsche Kirchen haben es schon aufgegriffen. Relativ unbekannt ist der Gottesdienst für Mensch und Tier trotzdem noch. Das mag auch daran liegen, dass Tierschutz in der Kirche ein schwieriges Thema ist.

Es ist gespalten, das christliche Verhältnis zum Tier. Letzteres wird zwar als Teil der heiligen Schöpfung gesehen, taucht in der Bibel aber regelmäßig als Opfer und Gebrauchsgegenstand auf. Wenngleich innerkirchliche Strömungen immer wieder einen humanen Umgang mit anderen Lebewesen propagieren, ist bisher keine breite Bewegung für Tierschutz entstanden. Der Mensch bleibt der unangetastete Verwalter der Welt und das höchste Wesen in der Nahrungskette.

Das bedeutet allerdings auch Verantwortung für seine Mitgeschöpfe, findet Pfarrer Christoph Heil, der am 1. September wieder beim Tiergottesdienst predigen wird. „Die Menschen sollen die Schöpfung bebauen und bewahren, heißt es. Das meint, die Schöpfung zwar nutzen, aber nicht zerstören“, sagt Heil. Setzt die Kirche als Moralinstanz ihren Einfluss genug ein, um auf eine ethische Tierhaltung hinzuwirken? Dazu hält sich der Pfarrer bedeckt. Es gäbe da einen politischen Sprecher der regionalen evangelischen Kirche, der Positionen und Mahnungen der Kirche in die Politik trage. Auch in der Jacobigemeinde spiele das Thema Tierschutz immer wieder eine Rolle, etwa zum Erntedankfest. Klar sagt Heil aber: Im Fokus der Kirche steht der Mensch. Und dessen geerbter Anspruch ist es eben, Tiere zu gebrauchen, ließe sich etwas zynisch ergänzen.

Einsatz für Nachhaltigkeit 

Allerdings engagiert sich die evangelische Kirche durchaus für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das schließt auch Tiere mit ein. Die Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, zu der auch die Evangelische Kirchengemeinde in Kreuzberg-Mitte gehört, hat etwa ein Klimaschutzkonzept entwickelt, in dem für Kindertagesstätten fleischfreie Tage und Biofleisch als Maßnahme gegen Treibhausgase empfohlen werden. Auf ihrer Onlinevertretung distanziert sich die Kirche von Massentierhaltung und vermerkt, die Kirchensynode, also das Kirchenparlament, rufe Gemeinden auf, keinen Boden für Massentierhaltung zur Verfügung zu stellen.

Auch Pfarrer Heil sagt: „Massentierhaltung kann Gott nicht wollen.“ Beim Gottesdienst für Mensch und Tier gehe es ihm aber vor allem darum, Tierhalter zu stärken. Sie bekommen den Segen als Personen, die das christliche Ideal der Barmherzigkeit pflegen. „Segen geben ist ein ganz alter religiöser Brauch. Gott will den Menschen Gutes, das bekräftigt man durchs Handauflegen. In Bezug auf Haustiere heißt es: Die Menschen nehmen ihre Verantwortung für die Schöpfung an“, so Heil. Ein stärkeres Bewusstsein für Mitgeschöpfe gehöre zum Wandel der Kirche, fügt Gemeindemitglied Neumann hinzu. Diese sei in den vergangenen Jahren immer menschennäher geworden, ohne dabei Respekt einzubüßen.

Der Gottesdienst für Mensch und Tier findet am 1. September um 18 Uhr in der St. Jacobi-Kirche, Oranienstraße 132–134, statt. Haustiere und Menschen aller Konfessionen sind willkommen. Alle Informationen gibt es online auf http://asurl.de/13-4.

Eine besondere Mensch-Tier-Beziehung: Peter Neumann mit Papagei Rudi. | Foto: Markus Heil
Halter Peter Neumann erhielt den Segen für seine Tierliebe zu Papagei Rudi.  | Foto: Markus Heil
Autor:

Josephine Macfoy aus Schöneberg

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