Eine Perle, die zum Problemfall wurde
Einblicke in das sanierungsbedürftige Baerwaldbad

Als hätten hier Leute abrupt den Raum verlassen: Blick in die verdreckte und vermüllte Küche. | Foto: Thomas Frey
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  • Als hätten hier Leute abrupt den Raum verlassen: Blick in die verdreckte und vermüllte Küche.
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Massen an Kleidungsstücken in vielen Räumen. Ein zur Küche umfunktionierter ehemaliger Therapiebereich, in deren Kühlschrank Lebensmittel seit Jahren vergammeln. Und vor allem eine Technik, deren Zustand zur Gefahr für Leib und Leben wurde: Das und noch einiges mehr bot ein Ortstermin im Baerwaldbad, zu dem Sportstadtrat Andy Hehmke (SPD) eingeladen hatte. Unter anderem, weil der Bezirk jetzt wieder die Schlüsselgewalt für das Gebäude hat.

Das lange Tauziehen mit dem letzten Nutzer, dem Vorsitzenden des insolventen Vereins TSB Berlin, endete einige Tage zuvor mit dessen Abgang nach einem angekündigten Vollzugstermin. Der basierte auf einer Gerichtsentscheidung vom vergangenen Herbst, bei der die alleinige Eigentümerschaft und damit auch das Zugangsrecht des Bezirks bekräftigt wurde. Dagegen läuft zwar noch eine Revision beim Kammergericht, die hat aber keine aufschiebende Wirkung.

Diese Auseinandersetzung war aber nur ein Aufhänger für den Rundgang. Es ging Hehmke und den beiden Sportamtsmitarbeitern Gunnar Eiche und Sven Trisch vor allem darum, den Zustand der Immobilie vorzuführen. Und der ist über weite Strecken verdreckt, ruinös und war während der Betriebszeiten sogar gefährlich. Die Frage wäre nicht gewesen, ob hier irgendwann ein großes Unglück passiere, sondern nur wann, betonte der Stadtrat.

Unterfüttert wird diese Befürchtung etwa beim Betrachten von Leitungen, die den Eindruck machen, als sei hier seit der Eröffnung im Jahr 1901 nichts mehr passiert; an porösen und zerbrochenen Rohren. Chlorgas sei durch einen Schlauch geströmt, der dafür nicht geeignet war, sagt Gunnar Eiche. Irgendwann wäre der geplatzt.

In einem Raum im Keller riecht es nach Essigsäure. An einem Maschinenteil hängt eine TÜV-Plakette. Sie stammt aus dem Jahr 2004. Die Zeitspanne seither markiert ungefähr, was im Baerwaldbad gelaufen, nicht gelaufen und schiefgelaufen ist.

Verein mit Betrieb überfordert

2003 wurde das Bad dem neuen Betreiber, dem TSB Berlin (Tauchen, Schwimmen, Breitensport), übergeben. Die Bäder-Betrieben wollten den Standort mit seinen beiden Schwimmbecken loswerden. Es war die Zeit, in der das Land Berlin viel von seinem Tafelsilber verscherbelte. Auch mit dem Baerwaldbad wäre das wahrscheinlich passiert, wenn der TSB nicht eingestiegen wäre. Doch der Verein, der das Gebäude 2010 per Erbbaurechtsvertrag erhalten hatte, war mit dem Betrieb offensichtlich überfordert. 2016 schloss das Gesundheitsamt das Bad wegen Hygienemängeln. Damals stimmten außer den Grünen noch alle anderen Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung für eine finanzielle Unterstützung des TSB.

Anfang 2017 wurde aber deutlich, dass die Probleme noch viel tiefer lagen. Vom Schornstein hatten sich Dachziegel gelöst. Dieser Vorfall verschaffte Gunnar Eiche die Möglichkeit, auch andere Gewerke näher anzusehen. Sein Befund: sofortiger Stopp des Betriebs. Was Stadtrat Hehmke zunächst postwendend für den Schulsport verfügte. Der TSB ging kurz darauf in Insolvenz. Hauptgläubiger ist der Bezirk, der wahrscheinlich einen Großteil seiner Forderungen abschreiben kann. Außerdem wurde der Heimfall erklärt, die Rückübertragung des Erbbaurechts.

2018 bekam der insolvente Verein mit Matthias Schütze einen neuen Vorsitzenden. Der hat mit anderen einst das Stadtbad Wedding betrieben und brachte eigene Ideen für das Baerwaldbad ins Spiel. Dazu zählte vor allem eine versprochene schnelle private Sanierung der Schwimmhallen, dazu weitere Nutzungen, Ansiedeln von Künstlern. Aber leider gäbe es den Stadtrat Hehmke, der alles blockiere.

Der fühlt sich im Nachhinein erst recht in seiner Haltung bestätigt. "Wie hätte das bei dem riesigen Sanierungsaufwand funktionieren sollen?" Abgesehen davon, dass auch die Beschlusslage der BVV und die neue Liegenschaftspolitik des Landes Berlin dagegen gestanden hätte.

Halle illegal für Veranstaltungen genutzt

Dass das Bad aber manche Phantasien wecken kann, wird bei den Rundgang ebenfalls nachvollziehbar. Trotz aller Probleme bleibt die Immobilie eine Perle. Nur etwa ein Fünftel ihres Umfangs gehört explizit zum Schwimmbereich. Ansonsten befinden sich in dem Komplex teilweise riesige Räume, sogar zwei ehemalige Wohnungen mit Dachterrasse. Der noch immer vorhandene Charme der kleinen Halle wurde bis vor einiger Zeit für Events genutzt, wovon noch eine Gerüstkonstruktion um das leere Becken zeugte. Veranstaltungen, die illegal gewesen seien, wie Hehmke noch einmal herausstellte.

Der Wunsch des Bezirks lautet: Ein öffentlich betriebenes Angebot für Schwimmen sowie möglicherweise weitere Sportnutzungen sollen entstehen, alles nach einer umfassenden Sanierung. Für die ist inzwischen ein Bausubstanzgutachten in Auftrag, dessen Ergebnisse im Sommer vorliegen sollen. Nächster Schritt wäre eine Machbarkeitsstudie.

Eine Sanierung und Wiedereröffnung hängt maßgeblich von der Landesebene ab. Die muss hinter dem Konzept stehen und für die Finanzierung sorgen. Dafür wird sehr viel Geld benötigt. Schon deshalb ist an einen Betrieb des Baerwaldbades in naher Zukunft nicht zu denken.

Als zunächst letzte Aktion werden die riesigen Müll- und Altmaterialbestände von Spezialfirmen entsorgt. Der Verein hatte zuvor noch einmal die Chance, Gegenstände aus seinem Bestand abzuholen. Angesammelt haben sich nicht nur eine umfangreiche Kleiderkollektion oder verdorbenen Lebensmittel, sondern auch zum Beispiel Computer aus der IT-Steinzeit, Aktenordner und Dokumente verschiedener Epochen, Werkbänke, Warnwesten und Feuerlöscher, sogar eine anscheinend ehemalige Hoteleinrichtung. Bereits der Abtransport dieser Hinterlassenschaft kostet rund 50 000 Euro.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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