Türkiyemspor zwischen Insolvenz und Abstieg

Vollen Einsatz zeigten die Türkiyemspor-Kicker (blaues Trikot) hier im Ligaspiel gegen den SC Gatow. Am Ende reichte es nicht. | Foto: Mediateam Türkiyemspor
  • Vollen Einsatz zeigten die Türkiyemspor-Kicker (blaues Trikot) hier im Ligaspiel gegen den SC Gatow. Am Ende reichte es nicht.
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Kreuzberg. Es gibt den bekannten Fußballerspruch: "Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu." Der gilt, wenn auch etwas eingeschränkt, für die derzeitige Situation beim Kreuzberger Kiezclub BSV Türkiyemspor.

Richtig dumm gelaufen ist für den Verein die abgelaufene Saison der ersten Männermannschaft in der Berlin-Liga. Nahezu die gesamte Spielzeit hielt das neu formierte Team dort gut mit, ergatterte am Ende 44 Punkte und konnte auf ein fast ausgeglichenes Torverhältnis verweisen. Was aber trotzdem nicht für den Klassenerhalt reichte. Denn ausgerechnet am letzten Spieltag wurde Türkiyemspor auf einen Abstiegsplatz durchgereicht. Dabei sind die sportlichen Leistungen nicht einmal das Hauptproblem. Weitaus mehr wird der Verein von der seit Ende 2011 bestehenden Insolvenz belastet. Immerhin sieht Sprecher Robert Claus hier Licht am Ende des Tunnels. "Inzwischen läuft das Insolvenzverfahren. Wir hoffen, dass wir es zum Jahresende abschließen können." Der Schuldenstand wurde auf etwas mehr als eine halbe Million Euro taxiert. Zwei Großgläubiger hätten inzwischen auf ihr Geld in einer Gesamtsumme von etwa 200 000 Euro verzichtet. Bleiben noch ungefähr 300 000 Euro, die anteilsmäßig abgegolten werden sollen. Vor allem durch die Spendenaktion "Rettungsschirm für Türkiyemspor", bei der inzwischen rund 25 000 Euro eingesammelt wurden. Parallel dazu wurden der Vorstand und der Aufsichtsrat neu besetzt. Im Kontrollgremium sitzen inzwischen mit dem Vorsitzenden Robert Schaddach (SPD), Öczan Mutlu (Bündnis90/Grüne) und Kurt Wansner (CDU) auch einige Landespolitiker.

Dass Türkiyemspor in Schieflage gekommen ist, hat allerdings weniger mit nicht vorhandenem Glück, sondern mit Unvermögen und Größenwahn zu tun. Geblendet von den Erfolgen der frühen 1990er Jahre wollten schnell wechselnde Vereinsführungen erneut am ganz großen Rad drehen. Sportlich sah es zumindest zeitweise nach einer Renaissance aus. Noch vor drei Jahren spielte das erste Herrenteam in der Regionalliga, der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Erkauft wurde das mit finanziellem Risiko, das 2011 in der Pleite endete. Schon zuvor war die Mannschaft in die Oberliga abgestiegen. Von dort meldete sie sich nach der Insolvenz vom Spielbetrieb ab. Im Sommer 2012 erfolgte der Neustart in der Berlin-Liga. Nach nur einjähriger Zugehörigkeit ging es von dort jetzt weiter nach unten in die Landesliga.

Der Grund für die Misere sei natürlich vor allem hausgemacht, gibt auch Robert Claus zu. "Aber nicht nur. Wir haben auch in all dieser Zeit wenig Unterstützung erfahren." Vor allem beklagt er das Desinteresse des Bezirks. Lange Zeit habe Türkiyemspor in Kreuzberg nicht einmal eine feste Trainingsstätte gehabt, sondern musste seine Jugendteams auf verschiedene Sportplätze verteilen. Inzwischen könne der Verein die Anlage in der Blücherstraße nutzen, allerdings noch immer ohne einen Schlüsselvertrag.

Dabei sei gerade die Nachwuchsarbeit ein Pfund, mit dem der Club wuchern will und kann. Rund 400 Jugendliche kicken bei Türkiyemspor. "Es könnten sogar noch mehr sein, aber wir müssen leider immer noch viele abweisen." Rund ein Viertel der Aktiven sind weiblich. Der Einsatz für den Mädchen- und Frauenfußball wird deshalb ebenso herausgestrichen, wie weitere Aktionen auch außerhalb des Fußballfeldes, bei denen sich der Verein gerade in vergangenen Jahren engagiert hat. Etwa Kampagnen gegen Rassismus und Homophobie. Gewürdigt wurde das unter anderem mit dem Integrationspreis des Deutschen Fußball Bundes.

Dazu kommt der Name, die Marke als vielleicht größtes Kapital. Robert Claus wehrt sich zwar vehement gegen den Begriff Traditions-club. Aber verwendet man diese Vokabel außerhalb sonstiger Fußballseligkeit, dann passt er hier schon gut. Türkiyemspor ist bis heute der deutschlandweit bekannteste von Migranten gegründete Verein. Er verfügt noch immer über einen Nimbus weit über Kreuzberg hinaus. Wenn, wie vor einigen Tagen amerikanische Studenten zu Besuch kommen und sich vor Ort über Integration informieren wollen spricht das ebenso dafür, wie das Theaterstück "Liga der Verdammten", mit dem das Ballhaus Naunynstraße eine besondere Hommage an Türkiyemspor auf die Bühne gebracht hat.

Was alles nichts daran ändert, dass der Wiederaufstieg nur in kleinen Etappen erfolgen kann. "Als ersten Schritt wollen wir im Januar so weit sein, dass wir bei plus-minus-Null neu starten können", sagt Robert Claus. Große finanzielle Sprünge werde es auch danach nicht geben. Spieler müssen weiter ohne Entlohnung gegen den Ball treten. Mehrere Kicker haben inzwischen den Verein verlassen und werden durch Nachwuchskräfte ersetzt. Die Ziele für die Landesliga sind deshalb auch bescheiden. "Innerhalb der nächsten drei Jahre wollen wir dort wieder zum Sprung nach oben ansetzen."

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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