Upcycling: Aus Alt mach Neu
Gerda Fürch sieht kreative Müllverwertung als Lösung für das Abfallproblem
Auf Menschen, die ihren Müll achtlos auf der Straße in ihrem Kiez entsorgen, reagiert die 73-jährige Gerda Fürch empört: „Ich würde den Leuten am liebsten den ganzen Sperrmüll vor deren Haustür stellen. Das würde ihnen bestimmt nicht gefallen“, sagt sie. Die Kreuzberger Rentnerin betreibt Upcycling, also aufwertendes Basteln, in dem sie kleine Kunstwerke aus altem Holz, Kork und Steinen fertigt.
In ihrer Wohnumgebung fällt ihr viel illegal abgeladener Müll am Straßenrand, auf Grundstücken und Baustellen auf. „Die Leute entledigen sich ihres Sperrmülls und verursachen Extra-Kosten für die Stadtreinigung“, kritisiert sie. Deshalb fing sie 2002 an, aus weggeworfenen Materialien Figuren und Alltagsgegenstände an ihrem Esstisch oder auf dem Balkon ihrer Zweizimmer-Wohnung zu basteln.
„Je nach dem, wie ich inspiriert bin, bemale oder beklebe ich Holz, Kork oder Steine. Man kann seine Fantasie treiben lassen“, erzählt die ehemalige Sekretärin. An einen dreibeinigen Hocker, den sie auf dem Weg fand, hat sie einen grün angemalten Ast befestigt, und aus einem Pflasterstein machte sie einen Würfel. Auch Bücherständer, Türstopper, Regale, Tische und Bänke ließen sich aus entsorgten Materialien fertigen. „Upcycling bedeutet, aus Altem Neues zu schaffen“, erklärt die kreative Berlinerin, „und das ist vor allem etwas für Leute, die nicht alles neu kaufen wollen oder können“. Zudem liege ihr der Umweltschutz am Herzen. Früher sei das Sammeln und Reparieren von Ausrangiertem weitverbreitet gewesen.
Kreative Ader
Schon in der Kindheit bemerkte Gerda Fürch ihr Talent für kreative Aufgaben. „Ich habe in der Schule gerne gemalt, gebastelt und gesungen.“ Nun überlege sie bei jedem Stück, ob man es noch verwerten kann. Dafür seien Kreativität, Zeit und Geschicklichkeit erforderlich. Schon in Schulen und Kindergärten sollte Kindern die kreative Arbeit mit Rohstoffen nahegebracht werden, findet die Seniorin. Für ihre elfjährige Enkelin hat sie eine Eisenbahn aus Kork gebastelt.
Wie man die Leute dazu bringt, weniger Müll wegzuwerfen und alte Gegenstände zu recyclen, darauf weiß Gerda Fürch keinen Rat. „Bislang interessiert das Thema die Wenigsten“, räumt sie ein.
Das Abladen von Müll ist verboten und kann mit Bußgeldern bestraft werden, sofern man vom Ordnungsamt erwischt wird. Die Kontrolleure können jedoch nicht an jeder Straße gleichzeitig präsent sein.
Anwohner, die Abfall in ihrer Umgebung bemerken, können selbst aktiv werden. „Der erste Ansprechpartner bei Sperrmüll und Elektroschrott ist das Ordnungsamt, das uns mit der Beseitigung beauftragt“, sagt ein Sprecher der Berliner Stadtreinigung (BSR). Die Entsorgung erfolge dann auf Kosten des Steuerzahlers. Für das Wegräumen von Bauschutt oder Autowracks müssten sogar Spezialfirmen beauftragt werden.
Für Umweltbewusste bietet die BSR eine App an, in der man nicht nur Entsorgungstipps und Abfuhrtermine erfährt, sondern auch abzugebende oder gesuchte Gegenstände im „Tausch- und Verschenkmarkt“ inserieren kann. Für Upcycling-Anhänger wie Gerda Fürch dürfte diese Initiative genau das Richtige sein.
Autor:Norman Prange aus Friedrichshain-Kreuzberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.