Testphase beginnt in Etappen
Auf der Bergmannstraße stehen erste Module für die Begegnungszone
Die Sitzmöbel wecken Neugier. Teilweise werden sie sogar bereits benutzt. Andere Passanten sparen nicht mit Kommentaren. "Was soll das", fragt eine Frau, die vor allem von dem Menschenauflauf an einem der Module angezogen wurde.
Der bestand aus Teilnehmern einer Pressebegehung, zu der die Senatsveraltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie der Bezirk am 9. November an die Bergmannstraße eingeladen hatten. Anlass war der nahende Start der Testphase zur dort geplanten Begegnungszone. Das temporäre Mobiliar ist dafür das erste sichtbare Zeichen.
Das Projekt Begegnungszone wird schon seit einigen Jahren verfolgt. Es sieht massive Eingriffe in das Straßenland vor, mit dem Ziel, eine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer zu erreichen und die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Nicht durchgehend stieß das auf Beifall. Deshalb gab es einen Kompromiss: Versuchsweise wird das Vorhaben in einem Modellprojekt ein Jahr lang ausprobiert. Mit Equipment, das sich danach wieder abbauen lässt. Während dieser Zeit sollen weitere Meinungen und Erfahrungen gesammelt werden. Zum Beispiel durch ein Online-Votum, das zum ersten Mal ab 19. November über www.mein.berlin.de möglich ist.
Alle temporären Möbel werden allerdings erst Anfang Dezember aufgestellt sein. Zu diesem Zeitpunkt soll dann auch die Parkraumbewirtschaftung wirksam werden. Ihr Beginn verzögert sich, wie ebenfalls berichtet, wegen verspätet gelieferter und dann noch falsch beschrifteter Schilder. Es gibt also einen Start in Etappen.
Was schon jetzt zu sehen ist, sind vor allem Sitzecken, die, auf bisher vorhandenen Parkplätzen in die Straße ragen. Von den einstigen rund 100 Stellflächen für Autos bleiben nur etwa 30 übrig. Dazu kommen acht Zonen für den Lieferverkehr. Stark ausgeweitet werden außerdem die Fahrradabstellplätze.
Die Module ähneln den beiden Parklets, die bereits von April bis Ende Oktober an der Kreuzung Nostitzstraße aufgestellt waren. Sie waren als erste Probephase zur jetzigen Testphase gedacht. Allerdings waren diese zwei Prototypen breiter und ragten damit weiter in die Fahrbahn. Sie wären auch gar nicht für die Bergmannstraße, sondern die Schönhauser Allee gedacht gewesen, erklärt Dirk Bartel, bei der Senatsverwaltung für den Fußverkehr zuständig. Sie sollten einen ersten Eindruck vermitteln.
29 Module an 15 Standorten
Ihre Nachfolger lassen Platz für einen 13 Meter breiten Straßenraum. Insgesamt wird es 29 solcher Aufenthaltsmodule geben, verteilt auf 15 Standorte. Was bedeutet, sie befinden sich häufig vis-a-vis. Ausgestattet sind sie meist mit Bänken, Sitzen und auch Tischen. Außerdem im Angebot sind sogenannte Querungshilfen, die durch einen abgesenkten Zugang sowie bessere Sicht für ein gefahrloses Passieren sorgen sollen.
Schon bei den beiden Parklet-Vorgängern war die Resonanz nicht durchgehend positiv. Anwohner beklagten sich zum Beispiel darüber, dass sie für nächtliche Partys genutzt wurden. Was der Nachtruhe nicht gerade zuträglich gewesen sei. Befürchtungen, ähnliches können auch während der Testphase passieren, hofft Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) bereits mit dem Hinweis auf die jetzt viel größere Anzahl begegnen zu können. Schon dadurch werde sich das Feierpublikum nicht auf einen Ort konzentrieren. Und weil die jetzigen Module auch kleiner und anders angeordnet seien, wären sie außerdem für Gelage wenig geeignet. Das ist zumindest die Hoffnung. Aber klar, gewisse Lautstärken ließen sich gerade in den Sommermonaten nicht vermeiden, räumte der Stadtrat ein. Werden sie zu exzessiv, müsste dagegen vorgegangen werden. Auf welche Weise blieb aber noch eher vage.
Weitere Befürchtung: zunehmender Müll und Dreck an den Parklets. Verhindern sollen ihn das Grünflächenamt und die BSR. Schon bei den ersten Exemplaren wurden allerdings Hohlräume zu Abfalleimern für Papier oder Weinflaschen. Sie sind eigentlich als Nischen für Pflanzen gedacht. Einige würden jetzt auch sehr schnell eingesetzt, so die Ankündigung.
Testphase kostet eine halbe Million Euro
Die Testphase wird zwischen 500 000 und 600 000 Euro kosten, bestätigte auch Dirk Bartel. Den finanziellen Einsatz brandmarkte der Bund der Steuerzahler in seinem jüngsten Schwarzbuch als ein Beispiel für massive Geldverschwendung der öffentlichen Hand. Bartel und Florian Schmidt sahen das naturgemäß anders. Die Begegnungszone sei ein Baustein bei der angestrebten Verkehrs- und Mobilitätswende, meint der Stadtrat. Dabei müssten auch Dinge ausprobiert werden. Zumal die Summe aus dem ohnehin vorhandenen Topf für Expertisen oder Versuchsprojekte komme, ergänzte der Senatsverantwortliche. Nur werde sie schon in der Praxis eingesetzt.
Dirk Bartel betonte auch noch einmal: Sollte der einjährige Test ergeben, dass das gesamte Vorhaben nicht zielführend sei, könne es auch beendet werden. Wobei sich Land und Bezirk natürlich ein positives Ergebnis erhoffen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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