Kritik vom Bezirksamt
"Blau-grüne Promenade" gestrichen
Der Bund hatte die Finanzspritze schon zugesagt. Jetzt macht das Land Berlin einen Rückzieher. Die „blau-grüne Promenade“ am Halleschen Ufer bleibt damit (vorerst) eine Vision.
Das Hallesche Ufer sollte zur autofreien Parkpromenade werden. Der 600 Meter lange Abschnitt liegt am Landwehrkanal zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Möckernbrücke. Dort wollte das Bezirksamt eine „blau-grüne Promenade“ für Fußgänger und Radfahrer herrichten – ein Vorzeigeprojekt für Berlin, das der Bund mit knapp drei Millionen Euro mitfinanzieren wollte. Im April kam der Förderscheck. Doch jetzt hat die Senatsumweltverwaltung das Projekt abgesagt.
Im Rathaus ist man darüber not amused. Immerhin hatte die „blau-grüe Promenade“ auch die Jury beim Bundeswettbewerb „Nationale Projekte des Städtebaus 2022“ überzeugt. „Wir wundern uns sehr, dass ausgerechnet die Senatsverwaltung für Klimaschutz und Umwelt dieses Projekt für klimagerechte Transformation in der Innenstadt stoppt und dafür sorgt, dass Fördergelder zu verfallen drohen“, ärgert sich Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne). Der Senat zeige hier einmal mehr deutlich, dass er kein Konzept für Klimaanpassung in der Berliner Innenstadt habe. „Der schwarz-rote Senat betreibt ideologisch die Autopolitik des letzten Jahrhunderts und verhindert so eine grüne Oase am Landwehrkanal.“ Dazu stelle er das Recht der Bürger auf saubere Luft und Kühleffekte durch blau-grüne Infrastruktur offenbar hinten an, so Herrmann weiter.
Die Grünen im Bezirk sehen das genauso. „Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wieso das Land diese Pläne nun in die Tonne treten will“, kritisiert Fraktionschef Pascal Striebel. „Es stellt einen massiven Vertrauensverlust dar, wenn eine neue Senatorin zur Durchsetzung ihrer ideologischen Blockadepolitik mit einem Federstrich Projekte in Millionenhöhe streicht.“ Das könne sich Berlin aber nicht leisten, so Striebel. „Weder den Verzicht auf Fördergelder für den klimagerechten Stadtumbau noch die Geringschätzung der Arbeit in der Verwaltung.“ Den Senat fordern die Grünen auf, diese „falsche Entscheidung“ sofort rückgängig zu machen und die Planungen zusammen mit dem Bezirk fortzusetzen. Auch der Klimabeirat Friedrichshain-Kreuzberg kritisiert den Stopp des Projektes und fordert den Senat in einer Resolution auf, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Man sei entsetzt, heißt es. Dem Bezirk gingen nun knapp drei Millionen Euro Fördermittel für "sinnvolle Maßnahmen" gegen den Klimawandel verloren. "Die Auswirkungen werden die
Berliner treffen, ganz besonders ganz junge, ältere, bereits gesundheitlich angeschlagene
und sozioökonomisch schwächer aufgestellte Menschen."
Die Berliner Wirtschaft hingegen begrüßt den Projektstopp. Denn der vom Bezirk geplante Umbau des Halleschen Ufers (B 96) hätte massive Folgen für den Wirtschaftsverkehr gehabt.
"So erstrebenswert der Umbau des Straßenraums auch ist, die Planungen dafür sollten sich an der Realität einer Millionenmetropole orientieren", so IHK-Chef Jan Eder. "Ohne die B96 müssten täglich mehr als 4000 Lkw in die Kieze ausweichen, um die Ver- und Entsorgung für die Stadt zu gewährleisten." Das sei weder im Sinne der Verkehrssicherheit noch des Lärmschutzes und würde deshalb wohl kaum Planungsrecht erhalten. Für die IHK zeigt der aktuelle Fall aber auch: "Solange die Bezirke nicht abgestimmt mit dem Berliner Senat agieren, kann die Mobilitätswende in Berlin nicht gelingen." Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin sagt dazu: "Viele Handwerkerinnen und Handwerker haben kaum eine Wahl beim Verkehrsmittel und können nur mit wenigen Ausnahmen auf den ÖPNV oder das Lastenfahrrad ausweichen." Eine Uferpromenade am Halleschen Ufer würde den Anforderungen des Wirtschaftsverkehrs damit diametral entgegenlaufen. Außerdem sei diese überbezirkliche Hauptverkehrsader schon heute so stark belastet, dass ein "Infarkt" drohe, wenn die Verkehrsströme auf noch weniger Fahrspuren verengt würden, so Wittke weiter. "Der Verkehr würde, einem Bypass gleich, in die nahegelegenen Wohngebiete gepresst."
Der Umbau der Bundesstraße Hallesches Ufer zu einer "blau-grünen Promenade" ist Teil der Grünstudie des Bezirks. Die stellt Strategien und Maßnahmen vor, wie im dichtbesiedeltsten Bezirk Berlins vorhandene Grünflächen gesichert und neue gewonnen werden können. Die BVV hatte dem Promenaden-Projekt zugestimmt. Auch Paris, Düsseldorf oder Seoul haben bereits breite Autoschneisen in grüne Uferpromenaden verwandelt.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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