„Die Sonne soll länger scheinen“: Auftakt zum Projekt Begegnungszone Bergmannstraße
Kreuzberg. Die Tafeln waren am Ende voll mit Meinungen und Wünschen. Der Lieferverkehr nervt und es gibt sowieso viel zu viele Touristen. Die Parkplätze sollten vollständig abgeschafft werden. Nein, Anwohner müssten natürlich weiter ihr Auto abstellen können.
Das waren nur einige Ansichten, die rund 100 Besucher der Informationsveranstaltung zum Auftakt des Projekts Begegnungszone Bergmannstraße zu Papier brachten. Alle waren aufgerufen, sich zur aktuellen Situation zu äußern. Häufig gab es aber bereits konkrete Forderungen. Aus diesen Stellungnahmen sowie weiteren, die bis zum 20. Oktober Online geäußert werden können, werden dann erste Pläne zur künftigen Begegnungszone entstehen.
So weit das Procedere, das den Interessierten am 22. September in der Alten Zollgarage am ehemaligen Flughafen Tempelhof zunächst ausführlich erklärt wurde. Denn umgesetzt werden soll das Vorhaben mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung, die sich über mehrere Etappen bis zum Frühjahr 2016 erstrecken wird.
Eine Begegnungszone bedeutet erst einmal, dass in einem Straßenraum das Aufeinandertreffen verschiedener Verkehrsteilnehmer neu justiert und bisherige Nutzungskonflikte zumindest minimiert werden. Die Bergmannstraße ist dafür ein gutes Beispiel, weshalb sie auch als eines der drei Pilotprojekte ausgewählt wurde. Fußgänger, Rad- und Autofahrer treffen dort häufig unkoordiniert aufeinander. Parken in zweiter Reihe sorgt ebenso für Gefahr, wie verminderte Sichtachsen zwischen abgestellten Fahrzeugen. Dazu kommen Ärgernisse wie ausgedehnte Schankvorgärten oder Hindernisse für Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen.
Gerade den Fußgängern gelte deshalb ein besonderes Augenmerk, denn sie machen noch immer den größten Anteil der Menschen aus, die in der Öffentlichkeit unterwegs sind, erklärte Horst Wohlfarth von Alm, Leiter des Bereichs Straßenplanung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. In der Bergmannstraße wurden pro Wochentag 8900 Passanten per Pedes gezählt, dazu kommen weitere 1500, die diesen Bereich queren. Im gleichen Zeitraum fahren dort 6500 Kraftfahrzeuge und 5800 Fahrräder.
Mehr Raum für das Fußvolk ist deshalb ein Ziel der Begegnungszone. Das war zumindest aus den Aussagen von Wohlfarth von Alm und von Dr. Eckhard Heinrichs von der LK Argus, die für die Umsetzung des Vorhabens verantwortlich ist, herauszuhören. Was aber keine autofreie Zone bedeute, wie beide ebenfalls deutlich machten. Für den motorisierten Verkehr soll es nur weniger Platz und vielleicht auch die eine oder andere Barriere geben. Wie der damit gewonnene Raum genutzt werden könnte, sei wiederum eine direkte Frage an die Bürger. Wobei mit solchen Vorgaben natürlich auch schon die eine oder andere Leitlinie gesetzt wurde. Das galt auch für den Hinweis nach nicht kommerziell genutzten Orten, die zum Verweilen einladen sollen.
Manche dieser Vorstellungen fanden sich dann teilweise variiert auf den Beschreibungs- oder besser Wunschzetteln der Gäste wieder. Aber auch Befürchtungen über zusätzlichen Lärm. Oder der Hinweis, dass die Bergmannstraße nicht allein betrachtet werden dürfe. Ohnehin soll die Begegnungszone nur für ihr Teilstück zwischen Mehringdamm und Marheineke-Markthalle gelten. Dass Horst Wohlfarth von Alm ankündigte, als Untersuchungsgebiet sei der Bereich bis zur Friesen- und nicht wie zunächst gedacht nur bis zur Zossener Straße gemeint, war etwas überraschend. Denn gerade um diesen Abschnitt und wie er verkehrsberuhigt werden könnte hatte es zuletzt einige Diskussionen gegeben.
Fundamentalkritik blieb ebenfalls nicht aus. Ein Gewerbetreibender sah wenig Akzeptanz für das Vorhaben bei den meisten Geschäftsleuten. An mögliche negative Konsequenzen werde nicht gedacht. Ihm und seinen Kollegen wurde ein weiteres Gespräch versprochen. „Wie kann ich das Projekt noch stoppen?“, fragte ein anderer Besucher. Gar nicht mehr, konterte Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis90/Grüne). Die Begegnungszone sei beschlossen.
Aus den sich teilweise auch widersprechenden Anliegen einen vorzeigbaren Plan zu basteln wird schon ziemlich schwierig. Und manche Wünsche lassen sich beim besten Willen nicht erfüllen. Etwa der eines vermeintlichen Witzbolds. „Die Sonne soll in der Bergmannstraße länger scheinen“, schrieb er auf seinen Zettel. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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