Wenig Widerstand gegen Parkraumbewirtschaftung im Bergmannkiez
Die Frau gehörte erkennbar zur Minderheit. Weil hier nur noch über das Wie und nicht mehr über das Ob diskutiert werde, könne sie die Veranstaltung bereits jetzt verlassen. Was sie dann auch mit einigermaßen Theatralik tat.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Informationsabend am 19. April zur künftigen Parkraumbewirtschaftung im Bergmannkiez gerade erst begonnen. Und ja, dass sie kommt, steht fest. Vorgesehener Einführungstermin ist der 1. Oktober. Gleiches gilt für die benachbarte Gegend um den Viktoriapark. Für dessen Bevölkerung wird es noch einen extra Termin geben. Läuft er ähnlich wie das Treffen im Leibniz-Gymnasium, ist auch dort mit wenig Widerstand zu rechnen. Vielmehr hat sich das Thema Parkraumzonen zumindest in Friedrichshain-Kreuzberg inzwischen vom Stief- zum Wunschkind entwickelt. Was ein Grund für den wütenden Abgang der eingangs erwähnten Besucherin war.
Auch die Ausführungen am Beginn der Vortrags von Michael Schreiber waren deshalb einigermaßen retro. Er beklagte noch einmal manche gerade mediale Kritik an solchen Vorhaben. Das hat sich inzwischen ebenfalls geändert.
Schreiber ist Projektleiter im Büro LK Argus, das die Untersuchungen in den beiden künftigen Parkraumgebieten durchführte. Denn für diesen Status müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Zum einen ein erhöhter Parkdruck. Der gilt, wenn mindestens 90 Prozent der vorhandenen Stellflächen nahezu kontinuierlich belegt sind. Im Bergmannkiez liegt er bis in die späte Nacht bei über 100 Prozent.
Zweite Vorgabe: Ein Konflikt zwischen verschiedenen Nutzergruppen. Womit vor allem gemeint ist, dass Auswärtige auf Kosten von Anwohnern viele Parkplätze besetzen. Etwa Menschen, die in der Gegend arbeiten. Als kritische Marge gilt, wenn das bei mehr als 20 Prozent des vorhandenen Angebots der Fall ist. Rund um die Bergmannstraße erreicht dieser Wert zu manchen Zeiten bis zu 30 Prozent.
Anwohner sollen profitieren
Ergebnisse, die auch unterstreichen, wer bei einer Parkraumbewirtschaftung am meisten profitieren soll – diejenigen, die in dem Gebiet leben. Das und auch konkrete Erfahrungen sichern inzwischen die weitgehende Zustimmung. Schon bevor Michael Schreiber die Resultate verkündete, ließ er unter den ungefähr 170 Besuchern abstimmen. Gut die Hälfte votierte schon da mit Ja. Ein großzügig geschätztes Drittel outete sich als Gegner, der Rest, der sich beteiligte, war noch zu keinem abschließenden Urteil gekommen.
Auch manche Anmerkungen und Kritik gingen eher in die Richtung, die Parkraumbewirtschaftung noch verschärfter auszulegen. Deutlich wurde das an ihrem vorgesehenen Betrieb. Sie soll Montag bis Sonnabend, jeweils von 9 bis 22 Uhr gelten. Von 9 bis eine Minute vor 17 Uhr kostet eine Stunde einen Euro, danach bis 22 Uhr zwei Euro. Vor allem das Salär am Tag sei zu gering angesetzt, wurde bemängelt. Und wegen Veranstaltungen, etwa in der Columbiahalle, gebe es auch bis in die späte Nacht einen hohen Parkdruck, meint eine Frau. Ihre Forderung: Kassieren bis Mitternacht. Was aber erst einmal nicht passieren soll.
Selbst den Preis für die Anwohnervignette wertete ein Besucher als zu gering . Sie beträgt 20,40 Euro, der Parkausweis ist dann zwei Jahre gültig. Nach Aufenthalten in anderen europäischen Metropolen sei er andere Größenordnungen gewöhnt, meinte der Mann. "Ich dachte zuerst, es handelt sich um die monatlichen Kosten."
Probleme beim Carsharing
Aber es gab natürlich auch Einwände und persönliche Befindlichkeiten. Ein Handwerksmeister sorgte sich um die Parkraumtauglichkeit seiner Betriebsfahrzeuge und der seiner Mitarbeiter. Für den eigenen Fuhrpark gibt es Lösungen, Angestellte, die mit dem eigenen Auto zur Arbeit kommen, bleibt dagegen nur, im öffentlichen Straßenland ein Parkticket ziehen. Als Alternative wird ihnen die Anfahrt per öffentlichen Nahverkehr oder mit dem Fahrrad empfohlen.
Zahlen müssen auch Spontanbesucher und insgesamt alle, die aus Berlin und Brandenburg kommen. Wer von weiter anreist, für den kann eine Gästevignette geordert werden. Deren Preis richtet sich nach der Dauer des Aufenthalts. Er beträgt im Höchstfall rund 40 Euro. Der Herr wiederum, der über mehrere Pkw verfügt, kann sie alle auf einer Vignette verzeichnen. Was gleichzeitig bedeutet, er kann immer nur mit einem einen Parkplatz besetzen.
Theoretisch gilt das auch für jemanden, der häufig auf einen Mietwagen zurückgreift. Allerdings sind damit ebenso einige Schwierigkeiten verbunden, wie noch mehr beim Carsharing. Teilen sich mehrere Personen ein Auto, wohnen aber in verschiedenen Parkraum-Gegenden, hat ihr Fahrzeug nur in einem Anspruch auf die Anwohnervignette. Von speziellen Ausnahmen abgesehen.
Wird irgendwo eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt, führt das häufig zu Verdrängungseffekte in benachbarte Kieze. Die Parkraumzone im Bergmannkiez soll in Nord-Süd-Richtung von der Gneisenaustraße bis zur Bezirksgrenze gelten. Letztere wird vor allem durch den Columbiadamm markiert. Von Ost nach West reicht sie vom Südstern und der Lilienthal- sowie Züllichauer Straße bis zum Mehringdamm. Dort schließt sich das Viktoriapark-Quartier an und endet westlich an der Grenze zu Schöneberg. Im Norden ist es durch die Yorck- im Süden die Dudenstraße eingefasst.
Vor allem Bewohner der Gneisenaustraße befürchten ab Herbst ein Chaos in ihrem Kiez. Einige machten klar, dass sie deshalb ebenfalls schnell einen Parkraum-Status wollen. Das werde geprüft, versprach Ordnungsstadtrat Andy Hehmke (SPD). Möglicherweise sei dieses Gebiet schon 2019 an der Reihe.
Parkraum - Wer, wo, was: In den beiden neuen Parkraumgebieten wohnen 25 800 Menschen. Wer von ihnen ein Auto hat, bekommt eine Anwohnervignette. Die muss bei den Bürgerämtern im Rathaus Kreuzberg, Yorckstraße 4-11, oder Friedrichshain, Frankfurter Allee 35/37, beantragt werden. Firmenvignetten gibt es beim Ordnungsamt in der Petersburger Straße 86-90. Anträge können per Post oder online gestellt werden. Alle Informationen finden sich auf www.parkeninkreuzberg.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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