Wie rund soll der Tisch sein?
Bezirksverordnete diskutieren über Markthalle Neun
Die beiden Markthallenbetreiber schienen einigermaßen angefressen gewesen zu sein. Zu beobachten war, wie sie ziemlich emotional auf die beiden Fraktionschefs Sebastian Forck (SPD) und Oliver Nöll (Linke) einredeten.
Die Herren sehen sich erheblichem Gegenwind ausgesetzt, seit sie dem Discounter Aldi gekündigt haben. Das Aus für den Discounter in der Markthalle Neun war, wie berichtet, Auslöser einer Protestwelle, bei der Aldi zu einer Art Symbol für Gentrifizierung und Fremdbestimmung wurde.
Schon deshalb kam auch die Bezirkspolitik nicht umhin, sich mit den Auseinandersetzungen an der Eisenbahnstraße zu beschäftigen. Der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 27. März lagen eine Einwohneranfrage und eine mündliche Anfrage zum Thema vor. Außerdem zwei am Ende mit Mehrheit angenommene Anträge. Einer kam von den Grünen und forderte das Einrichten eines Runden Tischs. Ein beliebtes Verlangen, wenn es irgendwo Ärger gibt. Vorgaben dafür seien bewusst vermieden worden, erklärte der Fraktionsvorsitzende Julian Schwarze. Nur die Hoffnung auf eine Lösung unter Einschluss möglichst vieler Beteiligter.
Schwarze vergaß auch nicht, auf die etwas ungewöhnliche Situation der Solidarität ausgerechnet mit dem Discountriesen zu verweisen. Denn natürlich sei eigentlich die ökologisch-korrekte und regionale Produktion von Lebensmitteln zu bevorzugen. Also das, was in der Markthalle weitgehend existiert. Aber so lange dieses Ziel noch nicht vollständig durchzusetzen sei, müsse es aber andere niedrigpreisige Kompromisse geben. Gerade an diesem Ort, dessen Vorgabe einer "Halle für alle" natürlich weiter zu gelten habe. So auch festgeschrieben im einstigen Konzeptverfahren, aus dem die drei heutigen Betreiber 2011 als Sieger hervorgegangen waren. Noch etwas weiter ging der Antrag der SPD, der das Bezirksamt in einer aktiven Rolle beim Runden Tisch sieht. Versehen ebenfalls mit dem Hinweis auf die einstige Vergabe und damit vielleicht auch eventuelle Eingriffsmöglichkeiten.
Halle ohne Handelsketten
Richtig ist zwar, dass alle damaligen Bewerber über kurz oder lang eine Halle ohne Handelsketten vorsahen. Aber, so wollen es zumindest Eingeweihte wissen, ebenso mit der Maßgabe, weiter eine günstige Nahversorgung zu gewährleisten. Die müsse auch nicht unbedingt von Aldi kommen, betonten wiederum vor allem die Linken, aber vorhanden sein. Und wenn das No-Go für Großanbieter weiter Gültigkeit haben soll, wie passe dazu der dm-Markt, der an Stelle des Discounters einziehen soll?
Um auch beim Runden Tisch wirklich offen debattieren zu können, müsste eigentlich zunächst die Kündigung für Aldi zurückgenommen werden, fand die SPD-Bezirksverordnete Sevim Aydin. Nicht nur sie erinnerte an die Sozialstruktur im Kiez. Rund ein Viertel der Haushalte sei auf staatliche Unterstützung angewiesen, sagen aktuelle Zahlen des Bezirksamtes. Mit dem Treiben in der Markthalle habe nicht nur diese Bevölkerungsgruppe immer weniger zu tun und sehe das eher als "ein Ufo", meinte Sebastian Forck.
Lediglich Michael Heihsel (FDP) setzte den Kontrapunkt und sah es in der Hand des Betreibers, welche Anbieter er in der Halle haben möchte. Und natürlich erwähnte auch er die nicht alltägliche Frontstellung. Nur mal angenommen, der Discounter wollte jetzt einziehen und ein dm müsste weichen. Was wäre dann los? Allerdings gab es den Aldi dort seit inzwischen mehr als 40 Jahren.
Ohne Politiker
Erste Versuche, ins Gespräch zu kommen, hat es auch bereits vor den Runden-Tisch-Forderungen gegeben. Wobei es anscheinend nicht einfach ist, verschiedene Akteure an einen Tisch zu bekommen. Sie wolle keine Politiker dabei haben, erklärte Stefanie Köhne, die für eine der Initiativen unterwegs ist und mit einer Einwohneranfrage vorstellig geworden war.
Dazu gab es noch eine Anfrage von Sevim Aydin. Sie wollte wissen, ob es stimmt, dass es in der Markthalle auch Wohnungen gibt? Und wenn ja, ob sie zu diesem Zweck vermietet sind? Antwort eins: Ja, es gibt dort vier Appartements. Weitere Angaben zu möglichen Nutzern könnten aber nicht gemacht werden. Das werde jetzt vom Wohnungsamt eruiert, erklärte der zuständige Stadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke).
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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