Der Kreuzberger Himmel hat sich etabliert
Träger derGaststätte ist ein Verein, der aus der benachbarten katholischen St. Bonifatius-Gemeinde entstanden ist. Treibende Kraft war dabei der damalige Gemeindepfarrer Ulrich Kotzur. Kotzur - Typ geerdeter Glaubensdiener- wurde kurz nach Betriebsbeginn Jugendseelsorger für das Erzbistum Berlin. Dem Himmel ist er trotzdem treu geblieben, nicht nur weiter als Vereinsmitglied, sondern auch als regelmäßige Tresenkraft. Ein Mal im Monat, an einem Sonntagabend, zapft er hier Bier und steht auf Wunsch auch für Gespräche über Gott und die Welt zur Verfügung.
Den gut besetzten Tischen nach zu urteilen, scheint seine Wirtschaftsidee Anklang zu finden, was der Pfarrer auch bestätigt. "Um es in der Managersprache zu formulieren, wir haben den Break Even Point erreicht". Das heißt, das Lokal trägt sich inzwischen. Aber es müssen noch Anfangsinvestitionen und Verbindlichkeiten abgebaut werden.
Darauf gehofft habe er zwar, "aber sicher konnten wir uns natürlich nicht sein", meint Kotzur. Denn sein Vorhaben hatte zwar von Anfang an Charme, war aber völliges Neuland.
Wenn man normalerweise an kirchliche Verköstigungsstätten denkt, fallen einem meist irgendwelche Suppenküchen oder ehrenamtlich betriebene Cafés ein, wo Speisen für einen geringen Obulus ausgegeben werden. Mit der "normalen" Gastronomie wurde die christlichen Glaubensgemeinschaften dagegen bisher nicht in Verbindung gebracht.
Darum handelt es sich aber beim Kreuzberger Himmel, mit seinen zwölf Mitarbeitern. Der Service ist professionell, die Gerichte nicht nur lecker, sondern teilweise auch außergewöhnlich und die Preise zwar moderat, aber durchaus angemessen. Aber sehr schnell fallen die Besonderheiten auf. Die Speisen heißen fast durchgehend nach Heiligen. Die Heilige Eulalia von Mèrida steht zum Beispiel für in Weisswein-Kräutersud marinierte Hähnchenstücke mit Tomaten-Ruccola-Gnocchi. Ob das aber wirklich ihr Leibgericht war, kann auch der Pfarrer, ebenso wie bei den anderen Heiligen, nicht mit Bestimmtheit sagen.
"Katholisch" ist auch das Bier, das er aus dem Hahn holt. Es kommt von der Andechser Klosterbrauerei. In einem Raum sind Orgelpfeifen an den Wänden. Und beim Blick an die Decke schaut der Besucher auf das Firmament. "Der Himmel ist offen", kommentiert Ulrich Kotzur dieses Kunstwerk.
All das ist natürlich ein wichtiger Teil des Konzepts. "Die Kirche darf sich nicht in Nischen verstecken, sondern muss da sein, wo die Menschen sind", lautet sein Credo. Und für viele ist der Weg in den Himmel zunächst leichter, als in die benachbarte Kirche. "Aber manche, die uns in der Gaststätte besucht haben, kommen danach auch zum Gottesdienst."
Dabei liegt es ihm fern, bei seinen Einsätzen am Zapfhahn als Missionar zu agieren. "Ich dränge mich nicht auf. Aber wer mit mir reden will, kann mich immer ansprechen." Ähnliches gilt für seine Kollegen. Denn regelmäßigen Tresendienst verrichten nicht nur weitere katholische, sondern auch evangelische Kollegen.
Mit dieser Mischung scheint er eine Marktlücke erschlossen zu haben, die Menschen aller Art anzieht. Kirchliche und weltliche Stammtische, Paare, Familien, Geburtstags- oder Hochzeitsgesellschaften. Auch Lesungen und Konzerte finden im Kreuzberger Himmel statt. Seit einigen Wochen gibt es außerdem einen täglichen Mittagstisch.
Gerade der Veranstaltungsbereich sei aber noch ausbaufähig, findet Ulrich Kotzur und denkt dabei an regelmäßige Ausstellungen oder Gesprächsrunden. "Ich möchte, dass wir uns noch mehr in den Kiez öffnen."
Inzwischen wird es Zeit für seinen Tresendienst. Noch etwas habe er gelernt, sagt der Pfarrer, ehe er hinter der Theke verschwindet. "Die Arbeit in der Gastronomie ist ein ziemlich harter Job. Und dabei sollst du auch noch immer freundlich sein."
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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