Faire Steine für den Mehringplatz
Ein Großauftrag, der Standards setzen soll
Die Anzahl der Natursteine, die sich auf den Paletten stapeln, kann auch Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne) nicht aus dem Stand beziffern. Sie liege sicher im vierstelligen Bereich, meint die Stadträtin, unter anderem zuständig für Umwelt und Finanzen. Und liegt damit sicher nicht falsch.
Es werden auf jeden Fall eine Menge dieser Steine für die Umgestaltung des Mehringplatzes gebraucht. Ihr Beitrag zu dieser inzwischen endlich begonnenen Baumaßnahme ist bei diesem Vor-Ort-Termin aber weniger das Thema von Clara Herrmann. Vielmehr steht die Herkunft und Produktion des Materials im Vordergrund. Denn die schwarzen Quader werden unter dem Siegel "Fair Stone" gelistet. Das bedeutet, sie wurden unter einigermaßen anständigen Bedingungen gebrochen und produziert. Deshalb bekamen sie den Zuschlag. Künftig soll das auch bei anderen Bauvorhaben gelten.
Friedrichshain-Kreuzberg habe vergangenes Jahr den Titel einer "Fair Trade Town" erhalten, erinnert die Stadträtin. Das müsse auch entsprechend unterfüttert werden. Schon jetzt passiert das in vielen Bereichen. Im Bezirksamt wird nur noch Kaffee geordert, der unter diese Bezeichnung fällt. Geschäfte, die zum Beispiel faire Kleidung anbieten, werden besonders herausgestellt. Wird das alles jetzt auch auf den Bausektor übertragen, ist das aber noch einmal eine ganz andere Dimension. Konkret bedeutet das: Lieferanten, die mit ihren Produkten im Bezirk zum Zug kommen wollen, müssen nachweisen, dass die unter menschenwürdigen Voraussetzungen hergestellt wurden. So wie bei den Steinen am Mehringplatz. Die stammen zwar aus China, wo für solche Vorgaben nicht unbedingt eine durchgehende Gewähr existiert. In diesem Fall wäre das aber so, bestätigt durch ein unabhängiges Zertifikat, das dafür eingefordert wurde, sagt Clara Herrmann. Es seien, gerade für die Steinbruchbranche, eher humane Bedingungen attestiert worden. Dazu gehörten beispielsweise relativ anständige und vor allem regelmäßige und korrekte Bezahlung, sogar eine gewerkschaftliche Organisation und vor allem keine Kinderarbeit. Nachzuvollziehen ist das, wie auch die Lieferkette, mit Hilfe eines QR-Codes, der sich an den Paletten befindet. Transparenz ist ebenfalls ein wichtiger Faktor.
Ähnlich soll das jetzt auch bei anderen Vergaben ablaufen, die Steine sollen also einiges ins Rollen bringen. Probleme mit den bisherigen Ausschreibungskriterien des Landes Berlin sieht die Stadträtin dabei nicht. Vorgaben etwa beim Thema Fair Trade zu machen, sei möglich. Es gelte nur, dass auch dann der günstigste Anbieter den Zuschlag erhalten müsse.
Apropos, um wie viel teurer wird eigentlich ein Auftrag nach diesen Kriterien? Zum Beispiel am Mehringplatz? Konkrete Zahlen habe sie schon deshalb nicht zur Hand, weil im Bausektor der aktuelle Preis mit dem von vor einem oder zwei Jahren kaum zu vergleichen sei, entgegnet Clara Herrmann. Es gebe derzeit eine immense Kostensteigerung. Erfahrungen bei anderen Fair-Trade-Produkten hätten aber gezeigt, dass die Unterschiede nicht besonders groß seien. Etwa bei Fußbällen unter diesem Markenzeichen, zu deren Kauf der Bezirk Vereine oder Jugendclubs animiert. Für die müsste nur wenig mehr bezahlt werden als für das Konkurrenzangebot aus teilweise fragwürdiger Produktion. Letztendlich lasse sich sogar der Preis über entsprechende Nachfrage beeinflussen, meint die Stadträtin. Je mehr fair geordert werde, umso günstiger könnten die Stückzahlen werden. Schon in diesem Zusammenhang wäre die öffentliche Hand ein wichtiger Akteur. Denn sie vergebe Jahr für Jahr ein riesiges Auftragsvolumen und sei damit eine Marktmacht.
Noch wichtiger ist für Herrmann aber, dass damit in eine bestimmte Richtung gesteuert wird: dass unwürdige Arbeitsbedingungen auf der Welt dadurch zurückgedrängt werden; ein Einhalten von Standards mehr Erfolg verspricht. Nicht nur bei den Steinen am Mehringplatz.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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