Fürs grüne Gewissen
Im September soll am Hermannplatz Berlins erstes „Kaufhaus der Zukunft“ eröffnen
Am 9. September eröffnet der Senat in der dritten Etage des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz vorerst für sechs Monate einen Gebrauchtwarenladen. Der „Re-Use-Store“ ist der nächste Schritt für ein Kaufhaus der Zukunft.
Ein schickes Kaufhaus mit coolen Klamotten, Fahrrädern, Handys, Computern und vielem mehr, alles ansprechend präsentiert und jede Menge gutes Gewissen verbreitend. So soll er aussehen, der Treffpunkt für umweltbewusste Verbraucher, für die Wiederverwertung und Abfallvermeidung zum Lebensstil gehören. Ramschige Gebrauchtwaren- und Secondhand-Läden waren gestern: Wiederverwenden soll auch das grüne Gewissen bedienen. Dazu muss das „Kaufhaus der Zukunft“ schon im „stilvoll eingerichteten Loungebereich mit gebrauchten Gegenständen“ die Besucher den „Charme von Gebrauchtwaren“ spüren lassen, heißt es im Konzept der Initiative Re-Use Berlin, mit der die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz seit über zwei Jahren unter dem Motto „Wiederverwenden statt wegwerfen“ für zeitgemäßes Recycling trommelt.
Und der Markt für Gebrauchtwaren ist enorm groß. Laut einer Studie liegen hochgerechnet auf alle Berliner Haushalte zum Beispiel 680 000 Laptops mit einem durchschnittlichen Wert von 158 Euro pro Gerät und vier Millionen funktionstüchtige Handys ungenutzt herum. Das ist für Gebrauchtwarenhändler ein Marktpotenzial von etwa 5,3 Milliarden Euro, das nicht einfach so vergammeln oder gar auf den Müll landen sollte.
Im März hat der Senat das Abfallwirtschaftskonzept 2020 beschlossen. Ziel ist es, „durch die Wiederverwendung und das Recycling ökologische Stoffkreisläufe aufzubauen“, heißt es. In Berlin sollte es dauerhaft drei bis vier „Warenhäuser der Zukunft“ geben, in denen Gebrauchtwaren cool angeboten werden, steht im Konzept. Der gute alte Trödelmarkt wird zum Zukunftskaufhaus. Händlergemeinschaften oder Re-Use-Organisationen sollten die Häuser dauerhaft zum Beispiel in Shoppingcentern etablieren, sagt Thomas Schwilling, in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zuständig für Kreislaufwirtschaft. Vorbild für die Gebrauchtwarenhäuser sind Re-Use-Projekte wie ReTuna in Schweden oder der Wiener Altwarenmarkt 48er-Tandler. In Hamburg betreibt die Stadtreinigung drei Gebrauchtwarenhäuser. Dass die BSR das macht, sei auch eine gute Möglichkeit in Berlin, so Schwilling.
Bücher, CDs, Elektronik, Kleidung, Geschirr und vieles mehr soll in die Zukunftskaufhäuser. Die sollen auch attraktive Treffpunkte werden, wo man sich im Repair-Café trifft oder an einem Upcycling-Workshop oder Nähkurs teilnimmt. In den Restaurants sollen gerettete Lebensmittel verarbeitet werden. Ein Rundumangebot für die bürgerliche Mitte, wie es im Konzept heißt. „Re-Use ist das neue Normal“, lautet das Motto. Für die neuen Gebrauchtwarenhäuser sucht die Senatsumweltverwaltung geeignete Immobilien, in denen ein Träger ein solches Kaufhaus umsetzen kann. Einen ersten temporären Re-Use-Store hatte der Senat vor zwei Jahren in der ehemaligen Kindlbrauerei im Neuköllner Rollbergkiez eröffnet.
Für den neuen am Hermannplatz wird jetzt ein dauerhafter Name gesucht, der das gesamte Konzept des Berliner „Warenhauses der Zukunft“ auf den Punkt bringt. Einsendeschluss ist der 18. August. Für den von einer Jury ermittelten originellsten Namen für den „Re-Use-Store“ ist ein Preisgeld von 1500 Euro ausgelobt. Außerdem werden in einem weiteren Wettbewerb „innovative und kreative Ideen gesucht, die zur Wieder- und Weiterverwendung sowie Verwertung von Textilien und somit zu veränderten Produkt- und Stoffkreisläufen beitragen“, wie es heißt. Dafür sind 2000 Euro für den Sieger, 1500 Euro für den Zweitplatzierten und 1000 Euro für den dritten Platz ausgelobt.
Weitere Informationen zu den beiden Wettbewerben und auch zur Initiative Re-Use Berlin finden sich im Internet unter https://bwurl.de/14g3.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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