Zwischen Farce und Meinungsbild
Zum Stand des Dialogverfahrens in der Markthalle Neun
Für den Weihnachtsmann sei ein Einkaufen in der Markthalle Neun zu teuer, fand das halbe Dutzend Aktivistinnen. Sie hatten sich am 7. Dezember in entsprechenden Kostümen vor dem Eingang in der Eisenbahnstraße postiert, um einmal mehr gegen all das zu protestieren, was in ihren Augen in dem Gebäude falsch läuft.
Zu viele hochpreisige Events gebe es dort, die Menschen mit wenig Geld von vornherein ausschließen, war ein Vorwurf. Auch Massenspektakel wie der "Streetfood Thursday" würden sich vor allem an Auswärtige und Touristen richten. Dazu kommt die weiter ungelöste Frage zur Zukunft des Aldi-Marktes. Der Discounter wäre aber der einzige Anbieter, den Menschen mit geringem Einkommen noch aufsuchen könnten. Zusammengefasst: Die Markthalle Neun forciere die Verdrängung im Kiez. Ihre Entwicklung sei anders verlaufen, als es sich die Nachbarschaft gewünscht habe. Was bleibe, wäre ein Abgesang.
Seit Jahresbeginn tobt dieser Kampf. Wie mehrfach berichtet, entzündete er sich an der zunächst ausgesprochenen Aldi-Kündigung, die eigentlich im Juli vorgesehen war.
"Nachbarschaftswoche" geplant
Nach mehreren erregten Versammlungen wurde vom Bezirk seit Ende September ein sogenanntes Dialogverfahren in Gang gesetzt. Das soll die Situation nicht nur in der Markthalle, sondern insgesamt im Kiez in den Blick nehmen. Seither habe es unter anderem an zahlreichen Orten Befragungen gegeben, erläuterte Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne) in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf Nachfragen von Stefanie Köhne, einer Sprecherin der Protestgemeinde. Dabei sei es auch um Themen wie Ernährung, die Verkehrssituation, Müll und, laut Herrmann immer wieder geäußert, die Gentrifizierung gegangen. Was dabei herauskam, ist inzwischen auch auf Stellwänden in der Markthalle zu besichtigen.
Die Meinungsäußerungen wurden per Zufallsprinzip eingeholt. Sie sind deshalb nicht unbedingt repräsentativ, aber eine Stufe des gesamten Verfahrens, wie die Bürgermeisterin erläuterte.
Interessanter wird es wahrscheinlich zwischen dem 6. und 11. Januar. Da ist, ausweislich einer Mitteilung des Bezirksamtes, eine "Nachbarschaftswoche" geplant. Anwohner und Besucher seien dabei eingeladen, ihre Wünsche, Bedarfe und Ansichten zu äußern. Das werde wiederum ausgewertet und Ende Januar im Rahmen einer Dialogwerkstatt vorgestellt und mit allen Interessierten besprochen. Diese Ergebnisse sollen wiederum in die weitere Gestaltung der Angebote in der Markthalle einfließen.
Dieses Vorgehen zeige, dass "kein Thema verloren gehe", betonte Monika Herrmann. Auch nicht der Aldi. Gerade das befürchten die Anti-Markthallen-Vertreter, die das Verfahren bisher als „Farce“ bewerten. Sie habe ein anderes Verständnis von Dialog, machte wiederum die Bürgermeisterin klar. Außerdem verwies sie darauf, dass sich auch die Hallenbetreiber an dem Verfahren beteiligen, wozu sie niemand hätte zwingen können. Am Ende erhoffe sie sich bei allen Auseinandersetzungen einen "konsensualen" Verlauf.
Streit um zweckentfremdete Wohnungen
Auch zwischen dem Bezirk und den Betreibern der Markthalle Neun gibt es einen inzwischen gerichtsanhängigen Konflikt. Dabei geht es um die zweckentfremdeten Wohnungen in dem Gebäude. Sie waren zuletzt allen Anschein nach vor allem als Büros genutzt worden.
Die Arbeitsgruppe Zweckentfremdung im Bezirksamt habe deshalb im Juni die „Wiederzuführung zu Wohnzwecken“ angeordnet, erklärte der zuständige Stadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) auf eine Anfrage der Bezirksverordneten Sevim Aydin (SPD). Und das mit unmittelbarer Wirkung.
Die Markthalle habe ein Aussetzen des sofortigen Vollzugs beantragt, was wiederum vom Bezirk abgelehnt worden sei. Daraufhin wurde vom Verwaltungsgericht ein Vergleichsvorschlag der Gegenseite übersandt. Er bot eine monatliche Ausgleichszahlung von einem Euro pro Quadratmeter an. Vom Bezirk ist das im September ebenfalls zurückgewiesen worden. Deshalb muss jetzt das Gericht entscheiden, was bisher noch nicht passiert ist.
Welcher Ausgang erwartet wird, machte der Stadtrat ebenfalls deutlich. „Das Bezirksamt geht davon aus, dass die Wohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt werden“, heißt es in einer Antwort. Außerdem werde auch ein Bußgeldverfahren eröffnet. Was allerdings erst mit dem Ende der zweckfremden Nutzung passieren könne.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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