Die Schau ist ein ambitionierter Lückenfüller. Dass sie jetzt zusätzliche Aufmerksamkeit bekommt, war so nicht vorhersehbar.
Bis 30. April 2019 zeigt das Jüdische Museum eine Ausstellung unter dem Titel "Welcome zu Jerusalem" (Willkommen in Jerusalem). Sie ersetzt die Dauerschau, die während dieser Zeit neu konzipiert wird.
Wenige Tage vor der Eröffnung am 10. Dezember hat der amerikanische Präsident Donald Trump angekündigt, dass die USA künftig den Anspruch Israels auf Jerusalem als seine Hauptstadt anerkennen wird. Als sichtbaren Ausdruck dafür soll die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegt werden. Danach kam es zu Protesten und gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Palästinensergebieten und arabischen Staaten.
Trumps Vorstoß und die Reaktionen darauf werfen erneut einen Blick auf die Stadt, die wie kaum eine andere Emotionen, Wünsche und Sehnsüchte freisetzt. Zwei Völker sehen in ihr ihre Kapitale und drei Weltreligionen ihr wichtigstes Zentrum. Das ohne weiteren Zündstoff darzustellen, ist schon in normalen Zeiten nicht einfach. Erst recht kann die Ausstellung keine Lösung bieten, worauf die Macher auch ausdrücklich verweisen. Aber sie wollen "Verständnis für die besondere Situation Jerusalems wecken und den Besuchern helfen, sich ein eigenes Urteil zu bilden", so Museumsdirektor Peter Schäfer.
2000 Jahre Geschichte im Blick
In den Blick genommen wird dabei die Geschichte der Stadt in den vergangenen rund 2000 Jahren. Und zwar, laut Schäfer, unter drei Prämissen. Zum einen den Stellenwert für das Judentum, festgemacht an den beiden Tempelbauten im Altertum. Vom zweiten, 70 nach Christus zerstört, existiert noch als Rest die Klagemauer als vielleicht wichtigstes steinernes Symbol für die jüdische Religion. Des Weiteren die Verbindung des Judentums mit Christentum und Islam: Gemeinsames und Trennendes, Kriege, mehr oder weniger Koexistenz. Das alles verknüpft sich mit der Gegenwart und dem nicht nur gerade besonders aktuellen Konflikt.
Zusammengefasst ergibt das ein Jerusalem-Bild, das nicht nur konkret, sondern auch immer übertragen verstanden wurde. Dass die jüdische Religion vor allem zu einer Schriftreligion geworden sei, hänge mit der Vertreibung des Volks aus der Stadt und dem Heiligen Land zusammen. "Nächstes Jahr in Jerusalem" heißt es am Ende der Lesung zum Pessach-Fest. Die zionistische Bewegung nahm diese Losung auf und animierte ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zur Einwanderung nach Erez Israel.
Die Stadt, in der nach ihrer Überlieferung Jesus Christus gekreuzigt, begraben und auferstanden ist, galt als imaginäres Zentrum und Fixpunkt des Christentums. Sehr früh machten sich Pilger in die Stadt auf. Nicht immer nur in friedlicher Absicht, wie die Kreuzzüge im Mittelalter zeigten. Die Reise nach Jerusalem ist bis heute eine Art Pflichtprogramm für viele gläubige Christen. Mit dem Besuch der Grabeskirche als Höhepunkt.
Der Felsendom und die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg sind die religiösen Zentren des Islams. Dort soll Mohammed in den Himmel gefahren sein. Die längste Zeit ihrer Geschichte regierten und dominierten Muslime die Stadt, woraus sie auch ihre heutigen Ansprüche herleiten.
Sakralbauten im Zentrum
Modelle der zentralen Sakralbauten der drei monotheistischen Religionen bilden dann auch die zentrale Achse der Ausstellung. Darum herum, davon beeinflusst und darauf einwirkend die Stadt und ihre Menschen. Im historischen Abriss wird das außer in Form von Fotos und Exponaten auch durch manche Karten oder einer Jerusalem-Simulation durch die Jahrhunderte dargestellt. Für die Gegenwart stehen unter anderem künstlerische Positionen und vor allem Filmausschnitte, etwa aus der 2014 entstandenen Dokumentation "24 h Jerusalem" von Volker Heise und Thomas Kufus. Ein Tag in Echtzeit, gespiegelt an ihren Menschen, ihrem Leben, ihrer Geschichte, dem Mit- und Nebeneinander. Was auch für die weltweiten Pilger oder sonstigen Besucher gilt. Gerade sie hätten für ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Stadt gesorgt, das ihnen erst beim Beschäftigen mit der Schau deutlich geworden sei, sagt Cilly Kugelmann, ehemalige Direktorin des Jüdischen Museums und zusammen mit Margret Kampmeyer Kuratorin der Ausstellung. Jerusalem wäre wahrscheinlich das älteste Touristenziel auf dem Globus. Eine Stadt, die schon sehr früh vor allem von ihren Gästen lebte und bis heute lebt.
Von Anfang an sei außerdem geplant gewesen, in der Ausstellung auf aktuelle Ereignisse hinzuweisen, die sich während ihrer Dauer in Jerusalem ereignen. Etwa in Form von Zeitungsartikeln. Wegen Donald Trump passiert das jetzt schneller, als vermutlich gedacht.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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