Bezirksamt fasst Aufstellungsbeschluss für Weitlingkiez
Nun also doch? Nachdem der Milieuschutz für den Weitlingkiez fast schon vom Tisch war, hat das Bezirksamt jetzt einen Aufstellungsbeschluss für den Erlass gefasst. Damit kann das Stadtentwicklungsamt Luxussanierungen zunächst auf Eis legen. Ob der Milieuschutz tatsächlich kommt, steht aber noch nicht fest.
Das Ergebnis hatte im Weitlingkiez für Unverständnis gesorgt: Noch 2016 war das Stadtforschungsbüro Topos nach umfangreichen Untersuchungen zum Schluss gekommen, dass eine Milieuschutzsatzung im Quartier zwischen Frankfurter Allee, Bahntrasse, Lincoln- und Fischerstraße nicht nötig sei. Die Studie hatte „keinen relevanten demografischen und sozialen Strukturwandel“ festgestellt und befunden, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Milieuschutz nicht gegeben seien.
Vorkaufsrecht möglich
Zur Erklärung: Gilt in einem Wohngebiet eine soziale Erhaltungsverordnung nach Paragraf 172 des Baugesetzbuchs, kurz Milieuschutz genannt, kann der Bezirk Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern. Außerdem hat er die Möglichkeit, von seinem Vorkaufsrecht für Immobilien Gebrauch zu machen.
Wie es der Name andeutet, zielt das Rechtsinstrument darauf ab, die Sozialstruktur in einem Kiez zu erhalten, alteingesessene Bewohner vor Verdrängung zu schützen – und damit der so genannten Gentrifizierung entgegenzuwirken.
Unterschriftensammlung läuft
Weil sich im Weitlingkiez seit Jahren die Anzeichen für eine Verdrängung mehren, wollten etliche Anwohner das Topos-Urteil nicht einfach so hinnehmen. Rückhalt bekamen sie von Bezirksverordneten der Links- und Bündnisfraktion. Jene kritisierten die Bezirksamtsentscheidung, das Gebiet lediglich unter weiterer Beobachtung zu halten. Die Bürgerinitiative Weitlingkiez sammelte schließlich mehr als 1300 Unterschriften für eine neue Studie und setzte einen entsprechenden Einwohnerantrag in der BVV durch. Das Gremium stimmte im November mehrheitlich zu – die CDU-Fraktion war allerdings dagegen.
Inzwischen hat das Bezirksamt mit seinem Aufstellungsbeschluss für Milieuschutz im Weitlingkiez reagiert. Das Stadtentwicklungsamt kann damit ab sofort Bauanträge für Luxussanierungen für vorerst zwölf Monate zurückstellen. „Mit dem Beschluss verhindern wir, dass Eigentümer der möglichen Festsetzung einer Milieuschutzsatzung zuvorkommen und bereits geplante Luxussanierungen vorziehen“, sagt die Stadträtin für Stadtentwicklung, Birgit Monteiro (SPD).
Haushalte werden befragt
Außerdem hat das Büro Topos mit einer Nachbefragung der circa 9000 Haushalte im Untersuchungsgebiet begonnen. Ziel ist es, die Daten des Gutachtens aus dem Jahr 2016 zu aktualisieren. Ergebe die Analyse der aktuellen Situation einen Bedarf für den Erlass einer Milieuschutzsatzung, werde geprüft, ob dies rechtssicher möglich sei, so die Stadträtin. Ist das der Fall und stimmt die BVV der Vorlage zu, kommt der Milieuschutz für den Weitlingkiez also doch noch. Zu spät, wie einige monieren.
„Bedauerlich ist, dass die Überprüfung von Milieuschutz im Weitlingkiez solange hinausgezögert wurde, obwohl das Problem von Verdrängung und steigender Mieten seit Langem bekannt ist“, sagt Norman Wolf, Fraktionsvorsitzender der Linken. „Die Soziale Erhaltungsverordnung allein löst das Problem aber nicht. Sie bietet nur eine Grundlage, tätig zu werden. Das Bezirksamt muss sie konsequent anwenden und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Maßnahmen versagen, die den Mietpreis in die Höhe treiben.“
"Milieuschutz ist kein Allheilmittel"
Die CDU-Fraktion lehnt die Verordnung für den Weitlingkiez ab, weil der Erlass den angespannten Wohnungsmarkt in keiner Weise verbessere. „Der Milieuschutz ist kein Allheilmittel zur Lösung des Problems“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Union, Gregor Hoffmann. „Denn es sind nicht Luxusmodernisierungen im Weitlingkiez, sondern die Mieterhöhungen bei Mieterwechseln, die zu den steigenden Mieten führen. Die regelmäßigen Mieterhöhungsbegehren sind nicht Gegenstand einer Milieuschutzverordnung.“
Während die Fraktionen hinsichtlich der Wirksamkeit des Instruments uneins sind, appelliert Stadträtin Birgit Monteiro an alle Mieter, die in den vergangenen Tagen und Wochen Fragebögen bekommen haben, die Formulare möglichst zügig auszufüllen und zurückzusenden. „Je mehr Rückmeldungen wir haben, desto aussagekräftiger wird das aktualisierte Gutachten.“
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.