Herzensangelegenheit: Kant-Schüler lernen Leben retten
Lichtenberg. Ein plötzlicher Herzstillstand kann jeden treffen. Berliner Schüler lernen in einem Projekt die wichtigsten Reanimationstechniken.
Ganz konzentriert legt die 13-jährige Lea ihre Hände auf den Puppenbrustkorb. Dann beginnt sie im Rhythmus des Disco-Hits "Stayin' Alive" kräftig zu drücken. Ihre Mitschülerinnen Lea und Ani messen die Zeit mit ihrem Smartphone: "Drei Minuten Herzdruckmassage – und dann macht eine von uns weiter", sagt Ani und schaut auf die Stoppuhr auf ihrem Handy. Als für Lea die drei Minuten um sind, greift ihre Mitschülerin Gwyneth beherzt zu. Lea spornt sie lächelnd an: "Man braucht schon ganz schön Kraft für so eine Herzdruckmassage. Es ist echt anstrengend!"
Noch nie sind die Mädchen aus dem Immanuel-Kant-Gymnasium in der Lückstraße 60 bisher in die Situation gekommen, ein Menschenleben retten zu müssen. Trotzdem bereiten sie sich auf diesen Moment vor. Menschenleben zu retten, ist nämlich ab sofort Teil des Biologieunterrichts in der 8. Klasse des Gymnasiums. "Das ist uns Notärzten wirklich eine Herzensangelegenheit. Denn jährlich erleiden 200 000 Menschen einen Herzstillstand. Nur wenn den Betroffenen schnell geholfen wird, haben sie eine Chance", sagt Prof. Dr. Christian von Heymann, Chefarzt für Intensiv- und Notfallmedizin am Vivantes-Krankenhaus im Friedrichshain. "Wir wollen Schüler ermutigen, in solchen Fällen selbst aktiv zu werden", sagt er.
In Kooperation mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft startet das von der Charité und dem Vivantes-Netzwerk für Gesundheit getragene Projekt aktuell an 14 Berliner Pilotschulen, zu denen das Kant-Gymnasium gehört. Drei weiterführende Schulen nehmen bisher aus Lichtenberg teil, vier aus Marzahn-Hellersdorf. Die Teilnahme ist freiwillig.
"Unser Ziel ist es aber, die Reanimation nachhaltig in Schulen zu etablieren", sagt die Projektleiterin Sylvana Bauernöppel von der Senatsverwaltung. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist in Deutschland der Reanimationsunterricht in den Schulen nicht verpflichtend – mit erschreckenden Auswirkungen. Hierzulande werden bei lediglich 31 Prozent der Herzstillstände Ersthilfemaßnahmen durchgeführt. Die Hemmschwelle ist gerade bei Erwachsenen groß.
Das Projekt soll helfen, Hemmschwellen schon bei den Jugendlichen abzubauen. Die Schüler werden dabei von ihren eigenen Biologielehrern angeleitet, die wiederum an Fortbildungskursen bei Intensivmedizinern teilnehmen. Jede Klasse kann an zehn Reanimationspuppen Herzdruckmassage üben.
"Hier geht es erst einmal darum, sich das zuzutrauen", berichtet die Biologie-Lehrerin Manja Schenk. Viele Schüler seien zunächst verunsichert. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen, etwa eine Rippe zu brechen. Doch der Intensivmediziner Christian von Heymann versichert: "Als Ersthelfer kann man nichts falsch machen, auch wenn eine Rippe bricht. Nur wer nichts unternimmt, macht etwas falsch." KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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