DDR-Urlaub oder Obdachlosigkeit?
Assoziationen zu „Himmel über Nöldnerplatz“
Den Nöldnerplatz ziert seit Anfang Januar ein neues Kunstwerk. Der Neuköllner Künstler Christian Hasucha hatte im vergangenen Jahr den ausgeschriebenen Wettbewerb des Bezirksamtes gewonnen. Nun konnten sich interessierte Bürger mit dem Künstler darüber austauschen.
„Als ich mit dem Auto kam und gar nicht wusste, was mich erwartet, war meine erste Assoziation ein riesiger Kopf“, sagt eine Frau in der Diskussionsrunde. Das sieht ein anderer Anwesender beim „Dialog zum Kunstwerk“ am 25. Februar im Museum Lichtenberg ähnlich. Nachdem die überschaubare Runde Interessierter gemeinsam mit Christian Hasucha „Himmel über Nöldnerplatz“ in Augenschein genommen hatte, wurden nach einem Vortrag des Künstlers Gedanken zum Werk ausgetauscht. Hasucha hatte zuvor erläutert, worauf es ihm bei seinen Werken ankomme und was ihm auch hier wichtig gewesen war: der Kontext, in dem seine Installationen stehen. Er stellte einige seiner vergangenen temporären Arbeiten vor und verwies dabei immer auf die Wirkung. Der öffentliche Raum sei danach stets etwas anders. Auch wenn sich optisch manchmal wenig verändert habe, so sei der Ort dann doch „kontaminiert“. Leute, die seine Kunstwerke gesehen haben, würden sich danach immer dran erinnern, wenn sie wieder am selben Ort vorbei kämen.
Dementsprechend sei ihm auch am Nöldnerplatz die Geste der Selbstermächtigung wichtig zu beachten. „Ich bin hier und nehme mir dieses Stück Erde“, könne das Kunstwerk aussagen. So liegt für Hasucha auch das Thema Obdachlosigkeit hier eher im Hintergrund. Viele der Anwesenden assoziieren aber genau das, wenn sie das Stillleben aus Aluminiumzelt und Straßenlaterne sehen. „Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Rummelsburger Bucht hier direkt um die Ecke ist“, meint ein Gast der Veranstaltung.
Inspiriert durch Traglufthallen
Das könne sich ja mit der Zeit ändern, wenn irgendwann niemand mehr in Berlin auf der Straße leben müsse, erwidert Hasucha. Er habe sich bei der Form des Zeltes absichtlich nicht an den ovalen Traglufthallen orientiert, die als Notübernachtungen genutzt werden. „Es wäre ein leichtes gewesen, das Problem der Obdachlosigkeit viel stärker zu betonen. In dem Moment, wo man aber so eindeutig wird in der Kunst, wird es einfach langweilig und eindimensional und das interessiert mich eigentlich weniger“, betont Hasucha seine Motive.
„Obdachlosigkeit hätte ich damit jetzt gar nicht assoziiert“, meint eine weitere Anwesende und bringt noch eine ganz andere Deutung ins Spiel: Das Familienzelt im Balaton-Urlaub zu DDR-Zeiten. Das könne dann ja als Erinnerung an das Jubiläum der Wiedervereinigung gemeint sein. Wie auch immer man das Werk am Ende verstehe, für Christian Hasucha ist auch wichtig, dass damit interagiert würde. Er wundert sich, dass es noch nicht mit Graffiti besprüht wurde. Das wäre für ihn jedenfalls interessant, auch wenn er niemanden auffordern wolle. Eine andere Person im Publikum fragt sich eher, „wann der erste Anruf beim Ordnungsamt eingeht, dass die Lampe nicht funktioniert“.
Der „Himmel über Nöldnerplatz“ ist im Gegensatz zu vielen anderen Werken von Christian Hasucha auf Dauer angelegt und soll sich im Zeitverlauf ändern. Menschen könnten sich daran anlehnen und über die Jahre soll das Zelt im besten Fall eine Patina bekommen. Sollte sich eines Tages die Umgebung ändern, habe der „Himmel über Nöldnerplatz“ Bestand und die Laterne könnte dann einmal daran erinnern, wie es 2020 hier ausgesehen habe.
Autor:Luise Giggel aus Wedding |
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