Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der friedlichen Revolution
Noch heute verwahrt Gudrun Karpinski Reste der DDR. Sie passen in eine Tasche. Dabei war sie keine Freundin der SED-Diktatur. Was die DDR war, das versucht die frühere Lehrerin heute ihren Enkeln nahezubringen, erzählt sie. Als Anschauungsmaterial dienen ihr ein Heimatkunde-Buch, die Gesetze der Jungpioniere und eine Dose voller Steine aus der Berliner Mauer. "Für mich war das Leben eine Herausforderung. Ich war Lehrerin und Gemeindekirchenmitglied", berichtet sie. Die Gemeinde in der Erlöserkirche gab ihr Rückhalt. Dabei ist das Leben heute nicht weniger eine Herausforderung. "Früher war ich Staatsfeindin. Heute bin ich Zeitzeugin", sagt Karpinski.
Am 4. November gedachte der Bezirk in einem großen Festakt in der Erlöserkirche der friedlichen Revolution, die auch an diesem Ort in der Nöldnerstraße 43 ihren Anfang nahm. In den 1980er Jahren war die Erlöserkirche ein Ort, an dem die Unangepassten zusammenkamen. Als Sozialdiakon betreute damals Michael Heinisch die Jugendlichen, die meist als Punks, Skins oder Rocker hierher kamen. Mit Punk-Konzerten auf dem Kirchengelände machten sich die jungen Menschen Luft. Der damalige Pfarrer Christian Langhammer erinnert sich: "Wir drückten uns vor der Veranstaltungsordnung der DDR, indem wir die Konzerte einfach als Gottesdienst laufen ließen." So mussten keine Personen gemeldet werden.
Lehrerin Karpinski erlebte die Angst vieler Eltern um ihre Kinder. Und Musikwissenschaftlerin Prof. Ulrike Liedtke erinnerte sich an die Unsicherheit, für eine kritische Meinung benachteiligt zu werden. "Aus Angst oder Vorsicht offenbarte man sich kaum seinem Nachbarn. Viele, die das taten, bezahlten das mit Repressionen." Anfang der 1990er-Jahre engagierte sich Liedtke als SPD-Politikerin in Hohenschönhausen. Heute ist sie Abgeordnete im Brandenburger Landtag. Für Bürgermeister Andreas Geisel (SPD) fiel der gesellschaftliche Umbruch in die Zeit seines eigenen Erwachsenwerdens. Der damals 23-Jährige studierte in Dresden und wurde von der Nachricht über den Fall der Mauer dort überrascht. "Gleich am nächsten Tag habe ich ein Ausreisevisum beantragt und bin am 11. November nach Neukölln gefahren. Niemand wollte mein Reisevisum sehen...", berichtete Geisel in seiner Festrede. Der Blick zurück auf die DDR ergibt ihn ein widersprüchliches Bild. "Noch heute erschrecke ich über die Tristesse der Bilder von den typischen Häuserzeilen. Dabei sind die Erinnerungen an meine Kindheit doch bunt." Der Sozialdemokrat, dessen Vater "im Kern linientreu" war, haderte lange Zeit, sich von der politischen Haltung im eigenen Elternhaus zu emanzipieren: "Zum offenen Wort musste ich mich überwinden, zur Demokratie erziehen."
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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