100 Jahre Groß-Berlin
Im Lichtenberger Oskar-Ziethen-Krankenhaus wurde 1920 eine Entbindungsanstalt eingerichtet

Am Oskar-Ziethen-Krankenhaus wurde 1920 eine Entbindungsstation eingerichtet. Die klinische Geburtshilfe befand sich noch in den Kinderschuhen. | Foto: Berit Müller
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Damit Lichtenberg Anfang des 20. Jahrhunderts das lang ersehnte Stadtrecht bekommen konnte, musste die Gemeinde diverse Auflagen erfüllen. Auch der Bau eines Krankenhauses sollte dazu zählen. Oskar Ziethen, seit 1896 als Lichtenberger Gemeindevorsteher im Amt, setzte sich über Jahre hinweg hartnäckig dafür ein.

1907 kam endlich der Erfolg: Der Kaiser willigte ein, und aus der Gemeinde Lichtenberg wurde eine Stadt. Nun sollten auch konkrete Planungen für ein großes Krankenhaus beginnen. Vorentwürfe für dieses neue Hospital, das zunächst Hubertus-Krankenhaus hieß, gab es schon seit 1906.

Ein Jahr später begann die Suche nach einer geeigneten Fläche, die genug Platz für mehrere Klinikgebäude bot. Das politische Tauziehen um den Standort dauerte zwei Jahre lang. 1909 kaufte die Stadt Lichtenberg das Meiereigut des Zimmerermeisters Atzpodien sowie zwei Morgen angrenzendes Land. Diese Fläche zwischen Siegfried-, Fanninger-, Atzpodienstraße und Frankfurter Allee war über 30 000 Quadratmeter groß und kostete damals 618 000 Mark. Für den Krankenhausbau veranschlagte man rund 3,11 Millionen Mark, wobei sich die Planungen zunächst hinzogen.

Am 3. Juli 1911 konnte der Grundstein dann endlich gelegt werden. Oberbürgermeister Oskar Ziethen verglich ihn in seiner Festrede mit einem „Denkstein“ für die Entwicklung Lichtenbergs und sagte: „Vertrauend auf die eigene Kraft, die Gemeinde dieses Werk nun schafft.“ Professor Carl Bötticher, ein angesehener Chirurg und Gynäkologe aus Gießen, half bei der Konzeption. Er übernahm im Hubertus-Krankenhaus bei der Öffnung 1914 den Posten des Ersten Ärztlichen Direktors. Zunächst bestand das Hospital aus einem Gebäude für die Chirurgie, einem Isolierpavillon, etwa für Tuberkulosekranke, Verwaltungsgebäude und Kesselhaus.

Betten für Soldaten reserviert

Die Einweihung dieser ersten Baueinheit wurde am 26. Oktober 1914 gefeiert. Einen Monat zuvor waren die ersten Krankenschwestern aufs Gelände gezogen. Das Klinikareal hatte viel Grün und große Bäume, da die Planer den vorhandenen Bewuchs so gut es ging erhalten hatten. Zunächst richtete das Hubertus-Krankenhaus 225 Betten ein, wovon allerdings 100 Betten sofort der Militärverwaltung zugesprochen wurden – der Erste Weltkrieg hatte begonnen. Zwei Wochen nach der Eröffnung kamen bereits 25 Kriegsverwundete in Lichtenberg an. Die ersten Patienten des Hospitals sollen aber die Ehefrau des vor Ort arbeitenden Maschinenmeisters und ein zwölfjähriges Mädchen gewesen sein. 1920 lag die Kapazität dann schon bei 407 Betten – das Krankenhaus wuchs und wuchs, wie die Bevölkerung drum herum.

Während die Ärzte bis 1918 häufig wechselten, weil sie in den Krieg ziehen mussten, gab es bei den Krankenschwestern keine Engpässe. Viele Frauen wollten damals den Beruf ausüben. Dabei hatte er seine Schattenseiten: Bis zum Ende der Weimarer Republik lebten die Schwestern unter einem fast klösterlichen Reglement, auch in Lichtenberg. Die dort arbeitenden Schwestern hatte das Rot-Kreuz-Mutterhaus, das sich im Kaiserin-Augusta-Hospital in der Scharnhorststraße in Mitte befand, samt Oberschwester geschickt. Die Vorgesetzte achtete penibel darauf, dass die Schwestern ihre Uniform mit langem Rock und steifer Haube sogar beim Ausgang trugen.

Der Arbeitsalltag war hart: täglich zwölf Stunden und bloß alle zwei Wochen einen Tag frei. Eine Schwester bekam 25 Mark Taschengeld im Monat, das man 1920 auf immerhin 90 Mark aufstockte. An Herrenbesuch war nicht zu denken, selbst Verwandte mussten ihren Besuch vorher genehmigen lassen. Für Klinik und Patienten waren die sehr gut ausgebildeten Krankenschwestern ein Segen. Das Hubertus-Krankenhaus galt als Behandlungsort für die „kleinen Leute“: Näherinnen, Verkäuferinnen, Arbeiter oder Händler. Auch einzelne Ärzte, wie der Gynäkologe Friedrich Jacobs, prägten die Anfänge der Klinik. Jacobs, den die Nationalsozialisten 1933 wegen seiner jüdischen Frau aus dem Amt warfen, begründete die Berliner kommunale Geburtshilfe maßgeblich mit. Am Hubertus-Krankenhaus eröffnete er am 1. April 1920 eine Entbindungsanstalt mit zunächst zwölf Betten, ein halbes Jahr später waren es schon 22 Betten.

Erste Schwangerenberatung der Stadt

Bis Jahresende kamen dort 1920 insgesamt 458 Babys zur Welt, im darauffolgenden Jahr waren es 612 Kinder. Rund 90 Prozent kamen 1920 noch bei Hausgeburten zur Welt. Die Entbindungsanstalt platzte bald aus allen Nähten, denn die Frauen wünschten sich nach dem Ersten Weltkrieg professionelle Betreuung – Geburtshäuser lagen im Trend. Oberarzt Jacobs hatte das schnell erkannt und gut geheißen.  Die Kliniken fingen gerade erst an, Entbindungshilfe zu leisten. In Lichtenberg ging Friedrich Jacobs noch einen Schritt weiter: Er richtete die erste kommunale Schwangerenberatungsstelle Berlins ein. Die Geburtshilfe blieb fortan ein wichtiger Schwerpunkt des Krankenhauses. Seit 1933 trägt es den Namen seines wohl wichtigsten Wegbereiters: Oskar Ziethen.

Am Oskar-Ziethen-Krankenhaus wurde 1920 eine Entbindungsstation eingerichtet. Die klinische Geburtshilfe befand sich noch in den Kinderschuhen. | Foto: Berit Müller
Erst wenige Jahre alt war das damalige Hubertus-Krankenhaus, als Lichtenberg 1920 zu Groß-Berlin kam. Seit 1933 heißt das Hospital nach dem Bürgermeister dieser Zeit, Oskar Ziethen.  | Foto: Berit Müller
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Berit Müller aus Lichtenberg

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