Die unbeugsame Straße
Unternehmer Grosse-Leege ist Namenspatron
Es gibt Straßen, deren Namensherkunft sich sofort erschließt. Bei Dorf-, Haupt- oder Seestraßen ist das der Fall. Gut herleiten lässt sich auch, warum Landsberger und Frankfurter Allee heißen, wie sie heißen. Bei anderen Verkehrswegen fällt das schwerer. Was hat es zum Beispiel mit der Große-Leege-Straße auf sich – und wo liegt wohl die Kleine-Leege-Straße?
Hin und wieder bekommt die Redaktion der Berliner Woche Anrufe oder Zuschriften, in denen Leser grammatikalische Nachlässigkeiten in den Texten beklagen. Jüngst beispielsweise berichteten wir, dass „in der Große-Leege-Straße neue Stolpersteine verlegt wurden“, worin eine Leserin wegen der fehlenden Deklination eine empörende Nicht-Beherrschung der deutschen Sprache sah. Allerdings zu Unrecht. Schon die Bindestriche deuten darauf hin, dass die Straße einen Personennamen trägt. Dessen einzelne Bestandteile werden nicht dekliniert, sprich gebeugt. Egal, ob in, auf, neben oder zur davorsteht.
Namenspatron des Alt-Hohenschönhausener Verkehrsweges, der sich von der Sandinostraße im Südwesten bis zur Konrad-Wolf-Straße im Nordosten erstreckt, ist ein gewisser Julius Grosse-Leege. Er war Unternehmer, Jurist und Vorsteher der Grunderwerbs- und Baugesellschaft zu Berlin, die ab 1893 mit der Parzellierung der Gebiete um Ober- und Orankesee begann. Ursprünglich war das Gutsland.
Die Familie Grosse-Leege stammte aus Westfalen, der Bankier Henry Suermondt, der zu Beginn der 1890er-Jahre das Rittergut Hohenschönhausen erworben hatte, kam aus Aachen. Gemeinsam mit dem Anwalt Grosse-Leege rief er die Grunderwerbs- und Baugesellschaft ins Leben, der jener ab 1898 als Generalbevollmächtigter vorstand. Zu den Mitbegründern gehörte ferner der Gutsbesitzer und Kaufmann Gerhard Puchmüller; an den Transaktionen beteiligte sich außerdem der Immobilienmakler Feodor Goecke. Dessen Tochter war mit Julius Grosse-Leege verheiratet. Suermondt, Goecke, Grosse-Leege – einige Straßen in Alt-Hohenschönhausen sind also nach den Vätern der Parzellierung benannt.
Im Gebiet südlich der heutigen Suermondtstraße wurden um die Wende zum 20. Jahrhundert Gründerzeitvillen nach der Landbauordnung errichtet, in die überwiegend Familien des gehobenen Mittelstands und Beamte aus Berlin einzogen. So entwickelte sich ab 1893 die Landhauskolonie am Orankesee, nach 1900 die Kolonie am Obersee.
Die Große-Leege-Straße misst heute 1755 Meter. Sie entstand aus dem Teil des Steindamms, der zwischen Hauptstraße und der späteren Bahnhofstraße lag, und aus dem Lichtenberger Steig. Die Benennung erfolgte 1912. Und die Frage nach der Kleine-Leege-Straße erübrigt sich damit von selbst.
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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