Doris Nabrowsky schildert ihren Weg vom Mann zur Frau
Lichtenberg. Zuerst war es eine unbestimmte Sehnsucht. Doch dann war klar: Heinz Nabrowsky fühlte sich als Frau. Heute lebt Doris Nabrowsky in dem Bewusstsein, sie selbst sein zu können. Und will über transidente Menschen aufklären.
Irgendwann war der Zeitpunkt gekommen, um "ehrlich zu sein", sagt Doris Nabrowsky in ruhigem Ton. Natürlich hatte sie Angst: Wie würden Freunde, Angehörige und sogar der Lebenspartner auf ihre Offenbarung reagieren? Sie erinnert sich noch an das allererste Gespräch mit einer Psychiaterin: "Ich hatte bis dahin noch nie mit einem Menschen darüber gesprochen und wollte nur, dass man mir sagt: Sie sind nicht verrückt".
Mehr als 60 Jahre lang lebte Doris Nabrowsky als Mann. Noch vor wenigen Monaten hieß sie Heinz Nabrowsky. Nach und nach legte Nabrowsky alles ab, was sie früher als Mann erkennbar gemacht hat. Dann legte sie nach und nach an, was sie weiblich macht: Einen modischen Pagen-Haarschnitt. Absatzschuhe. Taillierte Kleidung. Zuletzt war es der Vorname. Aus Heinz wurde Doris. Tatsächlich geht es aber um mehr, als um Äußerlichkeiten: "Ich fühle mich charakterlich und vom Wesen her als Frau", sagt die 64-Jährige.
Aufklären über transidente Menschen
Nun will sie öffentlich aufklären, Unsicherheiten im Umgang mit transidenten Menschen aus dem Weg räumen. "Transition" heißt die Angleichung an das Geschlecht, das von einem Menschen als das eigentliche empfunden wird. Der Betroffene wird nicht selten von Ärzten begleitet, ändert durch eine Hormontherapie und Operationen schließlich seine körperliche Identität. Auf diesem Weg befindet sich Nabrowsky. "Durch mich haben inzwischen schon mehrere hundert Menschen eine Transfrau persönlich kennen gelernt und viele haben mir offen gesagt, dass sie nach der Begegnung ihre Meinung dazu positiv korrigiert haben."
Erstmals lasen die Menschen über Doris Nabrowsky in den vom Bezirksamt herausgegebenen "Rathaus-Nachrichten". Das Amt ist ihr Arbeitgeber. Hier leitet sie den Fachbereich Naturschutz und Landschaftsplanung. Ihr erster Arbeitstag als Frau wurde auch von Journalisten der Sendung "Spiegel TV" dokumentiert. Die Sendung zum Thema "Transidentität" soll im Herbst auf "Vox" ausgestrahlt werden.
In der Öffentlichkeit stand Nabrowsky bislang aus anderen Gründen: Als Heinz Nabrowsky war er nach dem Mauerfall Mitbegründer des Naturschutzbundes in der DDR und gilt bis heute als eine der profiliertesten Umweltschützer des Landes. Im Verein "1. Vfl Fortuna Marzahn" leitet sie zudem die Abteilung Leichtathletik, aus der viele Spitzensportler hervorgehen.
Nicht verwechseln mit Transvestiten
Was sich heute für Außenstehende als Verwandlung offenbart, das hatte Nabrowsky schon Jahre zuvor in einer schmerzvollen Selbsterforschung auf den Weg gebracht. Sie suchte vielfach in Selbsthilfegruppen den Austausch. Doch die Auseinandersetzung mit der Geschlechteridentität kann sehr unterschiedlich geraten: "Im Internet gibt es Gruppen, die mit den Begriffen spielen". Denn transidente Menschen sind keineswegs Transvestiten, die mit dem Tragen weiblicher Bekleidung erotische Fantasien ausleben. "Das ist ja kein Ausflippen, das wird von Außenstehenden oft so gesehen", sagt Nabrowsky. Das Wort "Transsexualität" sagt auch nichts darüber aus, welche Sexualität eine Person lebt – ob sie etwa homo- oder heterosexuell ist. Der Begriff "Transfrau" bezeichnet schlicht das Geschlecht, dem sich eine Person zugehörig fühlt. Doris Nabrowsky ist eine solche Transfrau.
"In meinem Leben hat die weibliche Seite gewonnen", sagt sie schlicht. Diese weibliche Seite, das ist ein anderer Geschmack, der für die Dinge im Alltag gilt – und eine andere Gefühlswelt. Es bedeutet aber auch eine andere Herangehensweise: "Ich leitete als 26-Jähriger eine Handwerkerbrigade eines Gartenbaubetriebes. Mich bei dieser bunten Truppe an Kerlen durchzusetzen schaffte ich schon damals auf meine ganz eigene Weise. Ich habe Verständnis für die Männer gehabt und so Anerkennung erworben", erinnert sich Nabrowsky.
Dabei hatte sie lange Zeit gehadert, diese Seite wirklich auszuleben. Die äußeren Veränderungen baute sie fast unmerklich in den Alltag ein. Mal waren es lackierte Fingernägel. Ein anderes Mal fuhr sie ans andere Ende der Stadt, um als Frau gekleidet durch die Straßen zu spazieren. "Da habe ich festgestellt, dass ich damit keinen erschrecke", lacht sie.
Heute zeigt sie selbstbewusst, wer sie ist. Denn durch eine Hormontherapie hat ihr Körper mittlerweile weibliche Rundungen bekommen. Der Bartwuchs ist verschwunden. Viele psychische Blockaden haben sich gelöst: "Ich habe zu mir selbst gefunden." KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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