Im Gensinger Viertel fehlt einfach ein Einkaufszentrum
"Wir sind ein verlassenes Dorf geworden, die Alten hat man einfach vergessen", sagt Evelin Birr. Die 82-jährige wohnt in der Gensinger Straße, in der es auch ein Seniorenheim gibt, noch in den eigenen vier Wänden. Doch weil sie schwerbehindert ist, machen ihr die alltäglichen Wege zu schaffen, und sei es nur das Einkaufen. "Ich bin auf Verwandte angewiesen, die verschiedene Besorgungen machen. Mit dem Rollator unterwegs zu sein, ist eben nicht so einfach", erzählt die alte Dame. Zwei Busstationen muss sie zur nächsten Einkaufsmöglichkeit zurücklegen. Früher schaffte sie es noch zu Fuß zum Rewe-Markt in der Gensinger Straße 111. "Den nutzten auch viele Bewohner des Altenheims", weiß Evelin Birr. Der Markt war nah und deshalb beliebt.
Ende 2012 aber schloss die Rewe-Filiale - der Standort rechnete sich nicht mehr. Seitdem klafft in der Nahversorgung im Gensinger Viertel eine Lücke.
Wegen der fehlenden Einkaufsmöglichkeiten haben Anwohner sogar Unterschriften gesammelt, die im April 2013 ans Bezirksamt übergeben wurden. Getan hat sich aber nichts. Potenzielle Marktbetreiber zogen sich nach anfänglichem Interesse stets zurück. "Wir haben bereits mit allen einschlägigen Markt-Ketten gesprochen", sagt Stefan Siebner, Sprecher des Vermieters Berlinovo Immobilien. "Das Einzugsgebiet ist sehr klein, zudem durch die Hauptverkehrsstraße abgeschnitten. Dennoch versuchen wir natürlich, für die Fläche einen Mieter zu finden." Berlinovo setze jetzt auf kleinere Händler.
Noch 2007 gab es einen Interessenten, der mit einer großen Verkaufsfläche von 3800 Quadratmetern das brach liegende Forum Kalinka mit Einkaufsmöglichkeiten wieder beleben wollte. "Ein Nahversorger wäre dort sinnvoll, denn im Viertel wohnen viele Senioren", sagt der Abgeordnete Ole Kreins (SPD). Er hatte sich schon früh für die Wiederbelebung des Einzelhandels im Gensinger Viertel stark gemacht und beim Senat im Sommer 2013 nach dem Stand der Dinge gefragt.
Doch zu diesem Zeitpunkt wurde das Bebauungsplanverfahren im Bezirk schon nicht mehr weiter verfolgt, der Interessent war zwischenzeitlich abgesprungen. Und heute wäre eine Entwicklung des Standorts Forum Kalinka in der Größenordnung von mehreren Tausend Quadratmetern Verkaufsfläche ohnehin kaum möglich. Das Bezirksamt hat in einem Konzept sogar vorgesehen "jegliche Anträge für neue Lebensmittelmärkte an Einzelstandorten im Einzugsbereich" abzulehnen. Auf diese Weise will es das Einkaufszentrum an der Seddiner Straße stärken. Kleinere Standorte des Einzelhandels betrifft das aber nicht.
Nach aktuellen Plänen soll das Forum Kalinka nun zum "Kogge-Viertel" werden. Mit der Hanseatischen Immobilien Treuhand (HIT) gibt es einen Investor, der genau an dieser Stelle 74 Einfamilienhäuser bauen will.
"Wir hätten uns dort zwar auch Geschosswohnungsbau vorstellen können, müssen die aktuellen Pläne aber berücksichtigen", sagt der Stadtrat für Stadtentwicklung, Wilfried Nünthel (CDU). Auf die Kaufkraft im Viertel würde sich der Zuzug von 74 Familien aber kaum auswirken. "Für einen spürbarren Nachfrageschub sind es zu wenige neue Anwohner". Der Abgeordnete Ole Kreins (SPD) wünscht sich allerdings, dass die Idee vom Einzelhandel im Gebiet nicht ganz aufgegeben wird. "Bei der Planung des Kogge-Viertels sollte die Nahversorgung unbedingt bedacht werden", sagt Kreins.
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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