In einem Kunstprojekt erzählen Schüler Zeitgeschichte

Der Schüler Nico Trötscher schlüpfte in die Rolle eines Journalisten. | Foto: Wrobel
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Lichtenberg. Für das Kunstprojekt "Schwimmend im Tintenstrom" erfanden Schüler Lebensgeschichten, die sie mit der realen Zeitgeschichte verbanden. "Wie glaubwürdig ist eine Geschichte? Je mehr ich eine Fiktion mit reellen Fakten der Zeitgeschichte verbinde, umso nachvollziehbarer wird sie", weiß Irina Novarese.

Die italienische Künstlerin beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Erinnerung und Identität. So konserviert sie Erinnerungen in Flüssigkeiten, übersetzt geografische und zeitgeschichtliche Daten in Installationen. Mit dem Künstler Marco Pezzotta und den Schülern der 9. und 12. Jahrgangsstufe der Mildred-Harnack-Schule näherte sie sich für ein Projekt in ganz besonderer Form der Zeitgeschichte. Denn die setzt sich nicht nur aus aneinandergereihten historischen Fakten zusammen, wie Schüler es aus den Geschichtsbüchern entnehmen können. "Sich mit Zeitgeschichte auseinanderzusetzen bedeutet auch, sich in die Personen und ihre Lebenswelten einzufühlen", sagt Novarese."Crawling in the inky river - schwimmend im Tintenstrom" heißt das Kunstprojekt, welches die weißen Wände des Treppenaufgangs der Egon-Erwin-Kisch-Bibliothek schmückt. Sieben Fäden laufen an den Wänden entlang, kommen an Knotenpunkten zusammen und drängen wieder auseinander. Es sind die Lebenswege von sieben Personen, deren biografische Eckpunkte anhand von Briefen, Postkarten, Alltagsgegenständen in Vitrinen anschaulich gemacht werden: eine Brille, eine ausgedrückte Zigarette, ein Abschiedsbrief. So etwa ist die Lebensgeschichte des im Jahr 1904 geborenen Alexander Müller nachzuvollziehen.

Antwort auf Hitler-Rede

"Ich habe mich richtig in seinen Charakter eingefühlt", erzählt der Schüler Nico Trötscher. Er schlüpfte in das Leben Alexanders, spürte seiner Arbeit als Journalist nach - auch in der Zeit des Dritten Reiches. "Dieser Artikel ist komplett aus meinem eigenen persönlichen Gefühl entstanden. Er ist wenig sachlich. Natürlich hätte so ein Artikel 1933 nie das Licht der Welt erblicken können", weiß Nico, der für Alexander zur Feder griff und einen Artikel als Antwort auf Hitlers Rede am 24. August 1933 schrieb. Denn die Lebensgeschichte von Alexander ist erfunden, wie auch die der anderen sechs Lebensgeschichten. Anhand von echten historischen Fakten und Dokumenten konstruierten die Schüler die sieben Leben und setzten sich auf diese Weise mit der Zeitgeschichte auseinander.

"Der Vater von Alexander starb kurz vor dem Ende des 1. Weltkrieges. Seine Mutter hat seinen Tod nicht verwunden und beging Selbstmord. Von da an musste Alexander alleine zurechtkommen, wie wohl viele junge Menschen in seiner Zeit. Das muss sehr prägend gewesen sein", sagt Nico. Prägend für Alexander sollte auch das Aufeinandertreffen mit dem Schriftsteller und Journalisten Egon Erwin Kisch sein.

"Das haben alle unsere Hauptfiguren gemein, dass sie an einem Punkt ihres Lebens auf Kisch treffen", erklärt die Schülerin Sophie Wieland. Ausgangs- und Drehpunkt der fiktiven Gefährten ist die Schiffsreise von Kisch, die er 1934 nach Australien unternahm. Die Fotografie, welche Kisch mit einer Zigarette im Mund an Schiffsdeck zeigt, ist heute eine zeitgeschichtliche Ikone. "Diese Fotografie war unser Ausgangspunkt", sagt Sophie. Die Schüler recherchierten die historischen Fakten dahinter, knüpften einen Zeitrahmen und woben die fiktiven Lebenswege der Figuren hinein, sodass diese Lebenswege wahrscheinlich, möglich und glaubwürdig wurden. Innerhalb von fünf Projekttagen realisierten die Schüler dann das Projekt, das auch anhand eines Blogs unter www.crawlingintheinkyriver.tumblr.com nachvollziehbar ist. Zu sehen ist das Projekt dauerhaft im Treppenaufgang der Egon-Erwin-Kisch-Bibliothek, Frankfurter Allee 149.

Karolina Wrobel / KW
Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

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