Ein Gärtchen schreibt Geschichte
Lichtenberg. Schon immer mussten Kleingärtner im Bezirk gegen viele Widerstände ankämpfen. Nicht immer waren sie erfolgreich, das zeigt die über hundertjährige Geschichte der Laubenkolonien. Eine lesenswerte Broschüre des Vereins "Bezirksverband Berlin-Lichtenberg der Gartenfreunde" zeichnet die wechselhafte Historie nach.
Nicht erst seitdem in den letzten Jahren Wohnungen in Berlin immer knapper werden, gibt es Begehrlichkeiten, aus den Kleingartenanlagen Bauland zu machen. Wohnungen waren schon früher knapp: Schon in den 1960er Jahren, als das einstige Hans-Loch-Viertel in Friedrichsfelde entstand, verschwand eine beträchtliche Anzahl von Laubenkolonien zugunsten von Wohnungsbau. Die Folge: In nur einem Jahrzehnt verschwand zwischen den 1960er und 1970er Jahren die Hälfte der Kleingärten in diesem Gebiet. Von 12 449 Kleingartenparzellen blieben nur noch 5764.
"Auch heute schielen viele Investoren auf die Flächen von Kleingartenanlagen, weil Wohnungen oder Infrastruktur gebraucht werden", weiß Wolfgang Beyer. Der 62-Jährige ist Vorsitzender des Kleingartenvereins "Grüner Grund" an der Zacherstraße. Vor einigen Jahren plante hier ein Investor die Durchwegung zu einem benachbarten Supermarkt. Das rief den Protest der Kleingärtner auf den Plan. Die Politik lenkte ein, der Investor ließ seine Pläne fallen. "Kleingärtner sind in Berlin zu einer nicht zu unterschätzenden Macht geworden", schmunzelt Beyer. Er freut sich, dass das Bezirksamt Lichtenberg die vielen Kleingartenanlagen durch ein formalrechtliches Verfahren nun nach und nach auf Dauer sichert. "Viele Kleingartenanlagen sind historisch gewachsen. Bis heute bilden sie ganz unterschiedliche Gemeinschaften. Das Wissen um ihre Entstehung müssen wir deshalb erhalten. So erkennen auch zukünftige Generationen ihre Bedeutung", sagt er.
In einem Büchlein hat er zusammen mit dem Historiker Günter Möschner und Günter Neunherz diese Geschichte zusammengefasst. Unter dem Titel "Die Kleingärtner in Berlin-Lichtenberg und ihre über hundertjährige Geschichte" bilden die Autoren auf 78 Seiten nicht nur die Entstehung der Laubenkolonien ab, sondern zeigen die kulturgeschichtlichen Zusammenhänge auf, die heute weiterwirken. Ein Register mit einer Kurzbeschreibung der im Verein "Bezirksverband Berlin-Lichtenberg der Gartenfreunde" organisierten 27 Vereine rundet die Broschüre ab.
"Kleingartenanlagen gehören seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Lichtenberg zu dem urbanen Leben dazu", weiß Beyer. Viele der Anlagen, darunter die 1904 gegründete "Müllers Ruh" oder die 1906 gegründete "Langes Höhe", existieren bis heute und gehen auch auf die Entwicklung Berlins als Industriestandort zurück. Die aus dem ländlichen Raum zugezogenen Bewohner suchten Erholung von den dunklen und beengten Wohnverhältnissen der Stadt. Zudem boten die Laubenkolonien die Gelegenheit zur Selbstversorgung mit Obst und Gemüse – in Kriegs- und Inflationszeiten waren sie ein wichtiger Beitrag zur Notversorgung. In der DDR ermöglichten sie auch ein gewerbliches Zubrot. Mit der günstigen Lage an der damaligen Stadtgrenze richteten sich Anfang des Jahrhunderts viele Kleingärtner im Gebiet in Boxhagen-Rummelsburg und im Nachbarort Friedrichsfelde ein. Doch die Gründerzeit war auch die Zeit der Bodenspekulanten: Viele Grundstückseigentümer begannen, die Kleingärtner mit beträchtlichen Pachtpreisen zu erpressen. Die Gartenfreunde wehrten sich, indem sie sich durch Vereinsgründungen zu organisieren begannen.
Wer mehr erfahren möchte: Die Broschüre ist in einer Auflage von 500 Stück erschienen und für einen Unkostenbeitrag von 10 Euro in der Geschäftsstelle des Vereins Bezirksverband Berlin-Lichtenberg der Gartenfreunde in der Köpenicker Allee 9 erhältlich. KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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