Kritik an Wohngeld-Bescheid
Essensspenden angerechnet – Berliner Tafel wirft dem Bezirksamt Willkür vor

Sind Lebensmittelspenden Einnahmen? Dürfen sie bei Sozialleistungen angerechnet werden? Das Bezirksamt Lichtenberg hat diese Fragen in einem konkreten Fall mit Ja beantwortet und sich damit stadtweit Kritik eingehandelt. Zu unrecht, wie sich herausstellte.

„Dieses Vorgehen ist willkürlich und rechtswidrig“, sagt die Vorsitzende der Berliner Tafel Sabine Werth. „Die Berliner Tafel ist ein unabhängiger Verein, der schon immer bewusst auf staatliche Fördergelder verzichtet hat, um genau diese Verknüpfung von zustehenden Sozialleistungen und freiwilligen Lebensmittelspenden zu vermeiden.“

Hintergrund: Im Sommer 2018 hatte ein junger Lichtenberger einen Antrag auf Wohngeld gestellt und dabei angegeben, Lebensmittel von einer "Laib und Seele"-Ausgabestelle zu bekommen. Das ist ein Projekt der Berliner Tafel, der Kirchen und des Senders rbb. Vom Bezirksamt Lichtenberg erhielt er einen Bescheid, in dem fast 3000 Euro pro Jahr als „Sachbezug Tafel“ aufgelistet und für die Sozialleistung angerechnet waren. Die fiel entsprechend knapper aus.

Gesicherte Verpflegung?

Der Mann legte Widerspruch ein, erhielt aber eine Ablehnung. Darin hat das Amt den Wert der „als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung“ auf eine monatliche Summe festgesetzt – und sie in ein tägliches Frühstück, Mittag- und Abendessen geteilt. Diese Beträge würden jeder Grundlage entbehren, heißt es von der Tafel. Die "Laib und Seele"-Stellen würden einmal pro Woche Lebensmittel an Bedürftige abgeben – die Menge sei eine Unterstützung für wenige Tage, nie eine vollständige Versorgung. 

Die zuständige Stadträtin Kartin Framke (parteilos für Die Linke) verweist auf die Möglichkeit, gegen den Bescheid erneut Widerspruch einzulegen. „Juristisch handelt es sich hier möglicherweise um eine Grauzone, da in der Sache bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt“, räumt sie ein. „Ich würde es begrüßen, wenn durch entsprechende Urteile Klarheit geschaffen würde.“
 

Staatliche Fürsorgepflicht

Framke wartet nun auf juristische Stellungnahmen. Unabhängig vom konkreten Fall sei sie der Auffassung, dass Essensspenden nicht als Einkommen angerechnet werden sollten, sagt sie. Sabine Werth fordert: „Der Staat hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern, der er nachkommen muss. Diese Pflicht darf in keiner Weise mit dem gemeinnützigen, ehrenamtlichen und freiwilligen Engagement der Berliner Tafel verrechnet werden.“

Nachtrag: Es hat sich herausgestellt, dass die Anrechnung gerechtfertigt war. Die Wohngeldstelle hatte die Essensspenden einbezogen, um das Einkommen des Studenten heraufzurechnen. Dieses wäre ohne die Spenden zu niedrig gewesen, um überhaupt Wohngeld zu erhalten.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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