Gelebtes Geben und Nehmen: Lichtenberg pflegt Partnerschaft zu afrikanischer Kommune
Lichtenberg. Lichtenberg ist der einzige Berliner Bezirk, der eine Partnerschaft zu einer afrikanischen Kommune pflegt. Sie heißt KaMubukwana und liegt in Mosambik. Der Austausch ist rege und trägt Früchte.
Lourenco Fernando Vilanculos ist ein höflicher Mann. Bevor es um inhaltliche Fragen geht, möchte der Verwaltungschef von KaMubukwana unbedingt seine Glückwünsche loswerden. Also gratuliert er Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) erst einmal zur Wahl. Die ist zwar schon ein Weilchen her, aber beide haben sich seitdem noch nicht gesprochen. Der Lichtenberger Rathauschef bedankt sich nicht minder höflich: „Schön, dass wir uns sehen“, sagt er.
Die freundlichen Worte überwinden rund 12 000 Kilometer Luftlinie. Möglich macht’s moderne Technik, genauer: der Videotelefon-Dienst Skype. Vilanculos sitzt am Schreibtisch seines Büros in KaMubukwana, einem Bezirk in Mosambiks Hauptstadt Maputo. Michael Grunst hat sich in den Räumen des Vereins Solidaritätsdienst International (SODI) in der Türrschmidtstraße eingefunden, wo er mit Portugiesisch-Übersetzer Uwe Jaenicke auf den Bildschirm schaut.
Seit 1995 pflegen Lichtenberg und KaMubukwana ihre Partnerschaft, mit Rat und Tat unterstützt von SODI, einer international tätigen Hilfsorganisation. Im Jahr 1990 gegründet, hat der unabhängige, spendenfinanzierte Verein heute 253 Mitglieder und beschäftigt in der Geschäftsstelle zwölf Mitarbeiter. „Wir sind ein Lichtenberger Verein, aber wir sind auch in der ganzen Welt zu Hause“, sagt Geschäftsführerin Sarah Ninette Kaliga. „Inzwischen haben wir 1000 Projekte in 35 Ländern umgesetzt.“ Das hehre Ziel: Eine gerechte und friedliche Welt ohne Armut, in der die natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig genutzt werden. Partnerschaften zwischen Städten oder Kommunen seien die Prototypen aller Projekte, sagt Kaliga. „Sie sind gelebtes Geben und Nehmen.“
Michael Grunst schreibt es dem Verein SODI zu, dass der Austausch mit KaMubukwana so gut funktioniert. „Es ist die intensivste und lebendigste unserer sieben Partnerschaften“, erzählt er. Nicht nur die Verwaltung, auch Schulen, Kleingärtner und andere Vereine pflegen Kontakte.
Mosambik gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Obendrein ist der südostafrikanische Staat dramatisch vom Klimawandel betroffen. Dürreperioden wechseln mit verheerenden Überschwemmungen. „KaMubukwana wurde als Auffangbecken für Flüchtlinge gegründet“, erklärt Susanne Laudahn, Projektleiterin bei SODi. „Bis 1995 kamen Familien, die vor dem Bürgerkrieg Schutz suchten, seitdem fliehen sie vor allem vor den Fluten.“ Aktuell leben in KaMubukwana rund 380 000 Menschen.
Die Themen Klima und Umwelt haben die Partner auch besonders im Blick. 2015 eröffnete in Maputo ein Umweltbildungszentrum, finanziert im Rahmen des Programms Nakopa – Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte. Es hat ein Projektvolumen von 100 000 Euro und läuft über drei Jahre. Neben dem Aufbau des Bildungszentrums finanziert es den Verwaltungsaustausch und spezielle Umweltprojekte an drei Schulen im mosambikanischen Distrikt.
Dank dieser Unterstützung verfügt KaMubukwana nun über eine kommunale Anlaufstelle für Umweltfragen und -bildung. Kinder, Jugendliche und Erwachsene lernen dort unter anderem, wie man Mangold, Kürbis, Mais und Süßkartoffeln anbaut. Im Angebot sind zudem Beratungen und Workshops zum Recycling, über nachhaltige Produkte und zum Herstellen von natürlichem Dünger. Ein Gewächshaus, eine Kompostierfläche, eine Baum- und Pflanzschule sind geplant. Langfristig soll sich das Umweltbildungszentrum selber finanzieren – etwa durch Kursgebühren für Trainingsangebote, Gebühren für die Anlage von Gärten, durchs Sammeln von organischen Abfällen und den Verkauf des daraus gewonnen Düngers.
Umweltmaßnahmen an den drei Schulen verbessern zudem die Lebenssituation von rund 6600 Schülern in KaMubukwana. Die Kinder werden selbst aktiv und tüfteln in Umweltclubs an eigenen Ideen für den Schulalltag; sie legen Schulgärten an, engagieren sich in Klima-AGs, pflanzen Bäume zum Schutz vor Erosion, bauen Regenwasserauffangbehälter und reparieren Schulmöbel.
Das Ganze soll aber keine Einbahnstraße sein: Auch Lichtenberg will von der Partnerschaft profitieren. Das zentrale Umweltbildungszentrum könnte als Vorbild dienen, so etwas gibt es im Bezirk nicht. Außerdem würden im Bildungsprojekt neue Methoden der Wissensvermittlung ausprobiert, die bei Erfolg auch in Lichtenberger Schulen zum Einsatz kommen könnten, so Susanne Laudahn.
Michael Grunst möchte sich mit seinem afrikanischen Kollegen künftig nicht nur fernmündlich unterhalten, sondern bald nach Mosambik reisen. „Ich hoffe, wir treffen uns nächstes Jahr persönlich“, sagt er am Ende des Gesprächs via Skype. Er befürwortet generell Besuche zwischen Lichtenbergern und Menschen aus den Partnerkommunen. Für diesen Zweck hat der Bezirk im Doppelhaushalt für 2018/2019 erstmals jährlich 50 000 Euro eingestellt. bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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