Michael Heinisch kümmert sich um entwurzelte Jugendliche – zu DDR-Zeiten und heute

Im Dezember erhält Michael Heinisch für sein langjähriges Engagement das Bundesverdienstkreuz. | Foto: Wrobel
  • Im Dezember erhält Michael Heinisch für sein langjähriges Engagement das Bundesverdienstkreuz.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Was haben junge Flüchtlinge mit Jugendlichen in der DDR zu tun? Eine ganze Menge, sagt Sozialdiakon Michael Heinisch.

Die Schikanen der Volkspolizei waren für viele unangepasste Jugendliche in der DDR an der Tagesordnung. Im Keller des Professor-Fischer-Hauses der Kirche in der Nöldnerstraße fanden Punks, aber auch Rocker und rechte Glatzen einen Ort, wo man sie nicht ablehnte. Michael Heinisch, Pfarrerssohn, Wehrdienstverweiger und Bürgerrechtler, öffnete die Türen für alle. Hier feierten sie Konzerte, hingen gemeinsam ab, flüchteten vor dem Alltag.

Draußen auf der Straße waren sie wieder auf sich allein gestellt. "Diese jungen Menschen wussten nicht, wo sie bleiben sollten. Wo wohnen? Wo arbeiten? Diese Fragen galt es vor 25 Jahren zu beantworten", sagt Heinisch. Ja, diese Jugendlichen seien in gewissem Sinne heimatlos gewesen, obwohl er den Begriff Heimat ungern benutze. "Heimat – da kommt in mir die Erinnerung an diese Pionierlieder wieder auf", lacht er. Das Wort sei vom Regime ideologisch besetzt worden. "Gleichzeitig klingt in ‚Heimat‘ für mich auch das Wort ‚Heim‘ mit. In der DDR waren auch das keine schönen Einrichtungen."

Wie auch immer: Heinisch wollte den Jugendlichen Wohnmöglichkeiten außerhalb der staatlichen Erziehungsanstalten bieten. Mit dem Mauerfall bot sich diese Chance. Heinisch schuf das bis heute existierende Wohnprojekt in der Pfarrstraße 111, das Jugendlichen ein Dach über dem Kopf gibt, eine Betreuung zur Seite stellt und auch in die berufliche Ausbildung hineinführt.

"Das Ziel war damals ganz einfach: Menschlichkeit zu geben. Eine Aufgabe, die heute wieder gefragt ist", sagt Heinisch mit Blick auf die vielen Tausend Flüchtlinge. Er sieht Parallelen zur Wendezeit: "Mit dem Mauerfall gab es eine gemeinsame Betroffenheit der Gesellschaft, die vieles möglich machte."Heute zeigten ebenfalls viele Menschen ihre Betroffenheit und Anteilnahme, indem sie den Flüchtlingen helfen.

Und auch er will etwas tun und sein Know-how nutzen. Mittlerweile ist nämlich aus seinem Wohnprojekt-Verein "Sozialdiakonische Jugendarbeit" eine Stiftung und eine gemeinnützige Gesellschaft hervorgegangen – Träger von Kitas, Begegnungsstätten oder Umweltbüros. Im Dezember will Heinisch ein Wohnheim für zwei Dutzend alleinreisende, jugendliche Asylbewerber in der Hauptstraße öffnen.

"Auch da wird es um mehr gehen als um das Stillen von Grundbedürfnissen wie essen und wohnen. Ziel ist, den Jugendlichen beim Ankommen zu helfen. Vielleicht sogar ein Stück Geborgenheit zu vermitteln."

Die jugendlichen Flüchtlinge erinnerten ihn auf eine Art an die entwurzelten DDR-Jugendlichen. Viele von ihnen sind ohne Eltern und deshalb ganz auf sich allein gestellt. Trotzdem nehmen sie den riskanten und gefährlichen Weg aus Kriegsgebieten wie Syrien auf sich – in der Hoffnung, sich ein Leben aufbauen zu können. Und vielleicht eine Heimat zu finden. Sie einfach nur willkommen zu hießen, reiche deshalb nicht, findet Heinisch. Diese "unbegleiteten Minderjährigen", wie es im Amtsjargon heißt, seien auf besondere Hilfe angewiesen. "Wir wollen uns für diese jungen Flüchtlinge engagieren und sie ins Erwachsenenleben begleiten", sagt Heinisch. KW

Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 388× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 506× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 235× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 372× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.