Ansprechpartner soll Interessengruppen versöhnen
Neuer Platzmanager am Bahnhof Lichtenberg
Ums Obdachlosencamp am Bahnhof Lichtenberg wird im Bezirk seit Monaten diskutiert. Nun hat das Bezirksamt eine Idee in die Tat umgesetzt, von der schon vor der Teilräumung des Camps im Spätsommer die Rede war. Es bezahlt jetzt einen Platzmanager.
Die angespannte Situation entschärfen und dafür sorgen, dass alle Beteiligten einigermaßen miteinander klarkommen: Was leicht gesagt ist, dürfte Josef Parzinger in den nächsten Wochen und Monaten einiges an Nervenstärke abverlangen. Der studierte Sozialarbeiter ist neuerdings als sogenannter Platzmanager am Bahnhof Lichtenberg unterwegs – ein Lösungsansatz des Bezirks für die viel kritisierte Situation auf dem Vorplatz.
Finanziert wird das Platzmanagement und alle damit verbundenen Kosten vom Bezirksamt – mit jeweils 50 000 Euro in den nächsten zwei Jahren. Angesiedelt ist die Stelle aber beim Betreiber des Tagestreffs für Wohnungslose in der Weitlingstraße 11, dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD). Dort, also vis à vis zum Bahnhofsplatz, hat Parzinger nun ein Büro. Seine neue Aufgabe geht er realistisch an. „Ich bin kein Illusionist“, sagt er. „Natürlich bleibt es oberstes Ziel, dass alle Menschen eine Wohnung haben. Aber das werden wir nicht in ein paar Wochen hinkriegen.“ Es ist auch keine klassische Sozialarbeit, die er leisten wird. Zwar gehören Gespräche mit den Obdachlosen dazu, in erster Linie geht es aber darum, zwischen ihnen und den Bahnhofsnutzern, Anwohnern und Ordnungskräften zu vermitteln.
Camp und Trinkerszene
Das Obdachlosencamp am Ausgang der Unterführung von der Weitling- zur Siegfriedstraße ist Resultat des Kältebahnhofs, zu dem Senat und BVG den Bahnhof Lichtenberg im vorigen Herbst erklärt hatten. Den ganzen Winter über hatten sich dort Menschen ohne Bleibe aufgehalten, die aus den unterschiedlichsten Gründen keine Notunterkünfte aufsuchen wollten – auch nicht bei Eiseskälte. Eine kleinere Gruppe blieb nach Frühlingsbeginn und ließ sich draußen nieder, neben Treppe und Fahrstuhl. Aktuell sind es zwischen 20 und 30 Obdachlose, die dort die Tage und Nächte verbringen. In den Sommermonaten kam noch hinzu, dass der Platz zu einem Treff für die Trinkerszene wurde – eine problematische Entwicklung.
Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) berichtet von etwa 50 Beschwerden, die im Rathaus eingegangen seien. „Es ging um Lärmbelästigung, besonders spätabends und nachts, vor allem aber auch um den öffentlichen Alkohol- und Drogenkonsum.“ Ferner hätten die Leute über eine – wenn auch subjektiv beschriebene – allgemeine Angstatmosphäre und die Verwahrlosung des Bahnhofsvorplatzes geklagt.
Das Bezirksamt reagierte zunächst, indem es die Fahrradständer und den Aufzug freiräumen ließ. Vom Platzmanagement erhofft es sich nun weitere Entspannung. Josef Parzinger übernimmt die Rolle des Ansprechpartners: für Fahrgäste, Anwohner und Gewerbetreibende – aber auch für das Ordnungsamt, die Polizei, die Deutsche Bahn und die Stadtreinigung. Im Prinzip fungiert er als wandelnder Kommunikator mit dem Auftrag, Brücken zu bilden. „Ich werde sehr viel unterwegs sein und viel reden“, weiß er schon. Erste Gespräche hat er bereits geführt, sein Eindruck: durchaus positiv. Besonders die Eltern der nahegelegenen Robinson-Schule hätten besonnen und offen reagiert, erzählt Parzinger. So wird er auch weiterhin zuhören, Beschwerden aufnehmen, Bedarfe ermitteln, um anschließend mit allen Gruppen Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Er wird den runden Tisch „Bahnhofsnutzung“ ins Leben rufen – an dem sich Streetworker, Stadtteilkoordination, Ordnungsamt und Polizeiabschnitt austauschen sollen.
Klare Regeln müssen her
Geplant ist zum Beispiel, ein Regelwerk samt Sanktionen zu vereinbaren. Zwei wesentliche Punkte: Müll kommt ausschließlich in die Container, außerhalb der Sanitäranlagen wird nicht uriniert. Bei Verstößen droht ein Platzverbot. Langfristig will das Bezirksamt dank des Platzmanagements eine Strategie entwickeln, die den Brennpunkt Bahnhof dauerhaft entschärft. Und man schaut sich auch weiterhin nach Ersatzflächen für die Obdachlosen um.
Viel Arbeit, die auf Josef Parzinger wartet. „Aber ich mache das ja nicht alleine“, räumt er ein. „Der HVD, die Sozialarbeiter von Gangway und Karuna und viele Ehrenamtliche unterstützen mich dabei.“ Michael Grunst zeigt sich zuversichtlich. Der Bezirk stütze sich auf Erfahrungen ähnlicher Projekte, erklärt er. Am Weddinger Leopoldplatz habe ein Platzmanagement gezeigt, dass eine friedliche Koexistenz von Interessensgruppen mit unterschiedlichen Bedarfen möglich sei. „Wir müssen der brisanten Situation am Bahnhof Lichtenberg begegnen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Unser Ziel ist eine höchstmögliche Sozialverträglichkeit im Weitlingkiez.“
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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