So hilft Karlshorst den Flüchtlingen

Die Helfer beraten sich mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Bezirksamt, wie es weitergehen soll. | Foto: Wrobel
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Karlshorst. Mehr als 800 Freiwillige haben bis jetzt in der Flüchtlingsnotunterkunft an der Köpenicker Allee 146 geholfen. Innerhalb kürzester Zeit mussten 1000 Menschen untergebracht und betreut werden. Jetzt beraten die Ehrenamtlichen, wie Hilfe weiterhin gewährleistet werden kann.

Christian Stegmann ist noch immer fassungslos – über die Schicksale der geflüchteten Menschen und die Hilfbereitschaft der Karlshorster. "Karlshorst und das Flüchtlingsheim – so darf man das nicht denken. Das Flüchtlingsheim gehört zu Karlshorst. Das ist keine vorübergehende Sache", sagt Stegmann überzeugt.

Zwei Wochen lang hat er als Freiwilliger in der Notunterkunft gearbeitet. Er war dabei, als die ersten Busse des Landesamtes für Gesundheit und Soziales im Stundentakt Menschen zu dem überraschend plötzlich eröffneten Standort brachten.

Stegmann und die anderen Helfer teilten Decken und Hygieneartikel aus, bauten Betten auf, übersetzten Formulare in acht Sprachen. Eine Kleiderkammer wurde eröffnet, Menschen spendeten kiloweise Textilien. So mancher ging los und kaufte auf eigene Rechnung Babynahrung oder Schuhe.

Ohne die ehrenamtliche Hilfe hätte die Notunterkunft nicht so reibungslos organisiert werden können. "Das war eine tolle Leistung", sagt Jens Quade, Präsident des Kreisverbands Müggelspree des Roten Kreuzes, dem Träger der Notunterkunft. "Die Entscheidung, diesen Standort zu eröffnen, wurde von den Landesbehörden im Laufe eines Nachmittags gefällt", so Andreas Prüfer (Die Linke). Sie kam für den stellvertretenden Bürgermeister so unvermittelt wie für die Anwohner.

"Es war aber wahrscheinlich gerade diese Plötzlichkeit, die bewirkt hat, dass die Freiwilligen mit dieser Hilfsbereitschaft hierhergeeilt sind", so Stegmann. Bisher waren er und seine Frau jeden Tag in der Köpenicker Allee. Im normalen Leben ist Christian Stegmann Professor; er leitet ein Forschungszentrum für Teilchenphysik. "Am ersten Tag in der Notunterkunft wurde ich gefragt, was ich denn kann – da sagte ich: Eigentlich kann ich nichts", lacht er. Und wiederholt immer wieder, er sei nur einer von vielen.

Tatsächlich sind es viele: Mehr als 800 Freiwillige haben sich vernetzt. Es vergeht keine Stunde, in der nicht jemand bei der Facebook-Gruppe "Karlshorst hilft" nachfragt, was in der Unterkunft gebraucht wird. Eine Frau bietet einen Fahrdienst an, ein anderer will Deutschlandkarten bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellen. "Die wären doch für die Orientierung gut, weil ja Bewohner über das ganze Bundesgebiet verteilt werden. Alles bestellen!", kommentiert ein Helfer.

Mehr als 180 DRK-Mitarbeiter sind täglich vor Ort, daneben hat sich mittlerweile ein harter Kern von 100 Freiwilligen herausgebildet. Und noch immer kommen neue Menschen und wollen helfen. Manche bringen Kuchen vorbei. Andere, wie die Kleingärtner von nebenan, stellen Körbe voller Obst auf die Straße.

Wie sieht der Alltag der Flüchtlinge aus? Die Sprachprobleme können meistens gelöst werden – entweder jemand kann übersetzen oder es wird mit Händen und Füßen geredet. In der Kleiderkammer zeigen Abbildungen von Pullovern, Socken oder Rasierern, was es gibt. Doch viele Probleme bleiben: "Die Flüchtlinge müssen besser informiert werden. Viele wissen gar nicht, wo sie sind, was weiter mit ihnen passiert. Das sind mündige Menschen und sie sollten wissen, welche Schritte als nächstes folgen", sagt Stegmann.

Die meisten Asylsuchenden bleiben nicht lange in der Einrichtung. Nach der Registrierung, die nun neben dem Hauptstandort des Lageso in Moabit nun auch in Karlshorst erfolgt, werden viele Menschen nach dem "Königssteiner Schlüssel" nach wenigen Tagen weitergeschickt. Dann kann es auch in ein anderes Bundesland gehen.

Missverständnisse sind deshalb an der Tagesordnung. "Viele meinen, sie hätten hier eine Bleibe für längere Zeit gefunden. Manche sind verunsichert, wenn sie plötzlich ein Reiseticket mit konkretem Datum in der Hand halten", berichtet Stegmann. So käme es vor, dass Fahrkarten verfallen. Manchmal greift dann ein Helfer in die eigene Tasche, um ein weiteres Ticket zu bezahlen. Nicht wenige der Ehrenamtlichen sind von der Bürokratie irritiert.

So groß die Hilfsbereitschaft ist: "Wir müssen jetzt daran arbeiten, dass sie auch künftig funktioniert – trotz manch frustrierender Erlebnisse, trotz manchen schmerzhaften Abschieds", fordert Stegmann.

Ein Begleitgremium wurde vom Bezirksamt gegründet, in dem die Freiwilligenarbeit organisiert werden soll. Dem Gremium gehören neben Privatpersonen auch Vertreter der umliegenden Schulen, der Kleingärtner, des Stadtteilzentrums und anderer Einrichtungen an. Bei der ersten Sitzung ging es unter anderem um die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge. "Wir sind bei Großereignissen wie der Fanmeile am Brandenburger Tor im Einsatz und sind erprobt in der Versorgung von Notfällen", sagte DRK-Landesarzt Jens-Uwe Retter. Sein Team sei für den Einsatz in der Notunterkunft gerüstet. Bis heute habe es jedoch keine Fälle von ansteckenden Krankheiten gegeben. Im Heim gebe es auch eine Erste-Hilfe-Station. "Die Karlshorster Einrichtung hat als einzige eine solche Station", hebt der Jens Quade hervor.

Die Notunterkunft wird wohl eine dauerhaft bleiben. "Die Landesbehörden planen, mit Karlshorst und zwei weiteren Standorten einen "Campus" zu gründen. Karlshorst soll als Erstaufnahmeeinrichtung bleiben", informiert Andreas Prüfer. Es sei vorerst nicht geplant, die Zahl der Unterbringungen zu verringern. Ob sie noch steige, sei unsicher.

Was vor Ort gebraucht wird, kann jeder auf der Internetseite www.nuk.lichtenberg-hilft.de einsehen. Diese Seite ist so professionell gemacht, dass auch vom Roten Kreuz empfohlen wird. Für Anfragen vor Ort steht die DRK-Freiwilligenkoordinatorin Doro Büttner bereit. Unter der Hotline  50 38 07 97 beantwortet das DRK Fragen der Bevölkerung. KW

Die Helfer beraten sich mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Bezirksamt, wie es weitergehen soll. | Foto: Wrobel
Christian Stegmann ist ein Helfer von vielen, auch deshalb will er nicht aufs Bild. | Foto: Wrobel
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Karolina Wrobel aus Lichtenberg

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