Der Berliner Fahrradkrieg
Es herrscht Krieg auf Berlins Straßen. Jeder gegen jeden: Autofahrer gegen Radfahrer, Radfahrer gegen Fußgänger, Autofahrer gegen Fußgänger.
Wütende Radfahrer, die auf das Autodach schlagen, weil sie der Autofahrer übersehen hat, gehören de facto zum Straßenbild.
Fahrradfahrer bevorzugen Bürgersteige. Verständlich, denn es ist leichter, Menschen zu umfahren oder umzufahren, als auf der Straße gegen Autos zu kämpfen. Dort kann der Radler nur verlieren.
Eine besondere Spezies sind High-Speed-Fahrradfahrer, deren Vorbild die Formel 1 ist, denn auch dort ist Bremsen unerwünscht. Die schlechte Nachricht: keiner schwenkt die Zielflagge, wenn man angekommen ist.
Womit wir beim nächsten Typus wären: der „Ich-halte-unter-gar-keinen-Umständen-an-roten-Ampeln-Rowdy“. Das sind flash-artige Phantome, die urplötzlich auftauchen, wenn man auf die Grün-Phase vertraut. Und Hand aufs Herz: welcher Autofahrer tritt nicht gern auf die Klötzer, genießt nicht das Geräusch der quietschenden Bremsen und das Adrenalin, das den Körper durchströmt, wenn man kurz vor dem Radfahrer zum Stehen kommt?
Der Gerechtigkeit halber seien auch die anderen Verkehrsteilnehmer erwähnt:
Autofahrer biegen gern ab. Bevorzugt, ohne zu prüfen, ob sich eines jener feengleichen Wesen namens Radfahrer auf Kollisionskurs befindet. Meistens geht es gut und der Radfahrer umfährt den Kühlergrill mit einem gewagten Schlenker. Doch manchmal hilft nur die Vollbremsung. Uff, mal wieder Glück gehabt.
Da Autofahrer eine „Blechrüstung“ haben, beanspruchen sie das Recht auf die Straße. Und zwar die ganze Straße. Das beinhaltet auch die Radwege, die man zuparken kann. Frei nach Darwin: der Stärkere setzt sich durch.
Fußgänger gehen diffiziler vor: das Überqueren der Straße bei Rot ist ein probates Mittel, um Autofahrer in den Wahnsinn zu treiben. Keine schlechte Sache, denn eine Vollbremsung lockert des Fahrers Nackenmuskeln und beendet sein Handygespräch. Die Welt wäre in Ordnung, wenn die Autofahrer das genau so sehen würden.
Fußgängern und Radfahrern gemein ist das Tragen von Kopfhörern. Bevorzugt die großen Plastikschüsseln, die man ÜBER die Ohren zieht. „Hallo, ist da jemand?“, möchte man manchmal fragen, wenn diese Alien den Straßenverkehr ignorieren. Irgendwie kann man sie ja verstehen: Rammstein klingt eben besser als der schnöde Verkehrslärm.
Eine neue Erscheinung sind Motorradfahrer, die Radwege benutzen. Das wiederum erhöht die Freude am (Auto)fahren, denn man weiß nicht, ob man von links oder von rechts überholt wird. Oder von links und rechts gleichzeitig. Adrenalin pur!
Paketboten blockieren Radwege. Geht nicht anders, unsere Pakete wollen wir ja alle erhalten. Der Ausweg: Drohnen. Die gute Nachricht: das entlastet die Straßen. Die schlechte: ab und zu stürzt eine ab. Da muss man abwägen: zuverlässige Zustellung versus Platzwunde.
Der „Öffentliche Personennahverkehr“, was für ein Wortungetüm, unterstützt den Wechsel vom Auto auf Bus und Bahn tatkräftig durch steigende Preise und ständige Baustellen. Und was passiert, wenn die erste Schneeflocke fällt, muss hier nicht extra erwähnt werden. Stichwort: „Weiche ist eingefroren“.
Herzlich willkommen in der Frontstadt Berlin. Tipp: zu Hause bleiben. Ach nein, bringt auch nichts, denn genau da passieren die meisten Unfälle.
Autor:Axel Schramm aus Lichtenberg |
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