Eigentümer ist nicht erreichbar
Bezirk könnte gegen Verfall der Postagentur Zwangsmaßnahmen durchsetzen
Als Patrick Liesener das erste Mal von der historischen Postagentur hörte, fragte er sich, wo die denn sein soll. Der CDU-Bezirksverordnete wohnt in Lichtenrade und kennt sich gut in der Gegend aus. Den Standort des denkmalgeschützten Bauwerks kannte er trotzdem nicht. Kein Wunder, ist das Gebäude doch völlig zugewachsen.
Sehr schade sei das, weil historische Gebäude eine tolle Ausstrahlung hätten. Im vergangenen Jahr hat Liesener deshalb einen Antrag in die BVV eingebracht. Er wünscht sich, dass in die Postagentur neues Leben einzieht. „Es ist ja irgendwie absurd, dass man es über Jahrzehnte nicht schafft, ein denkmalgeschütztes Gebäude wieder einer sinnvollen neuen Nutzung zuzuführen“, sagt er. Bereits bei der Aufnahme in die Denkmalliste im Jahr 1995 zeigte das Bauwerk Verfallserscheinungen. „Seinerzeit wurde eigentümerseitig ein Abriss mit anschließender Neubebauung angestrebt“, berichtet Stadtrat Jörn Oltmann (Grüne). Ein Kostenvergleich habe damals einen deutlichen wirtschaftlichen Vorteil für eine Neubebauung anstelle einer Sanierung erkennen lassen. „Dennoch wurde, ohne dass es zu förmlichen Antragsverfahren kam, seitens der Denkmalschutzbehörden deutlich signalisiert, dass an einem Erhalt festgehalten werde.“
Typisch fürs 19. Jahrhundert
Dass das sogenannte Büdnerhaus Alt-Lichtenrade 81 erhaltenswert ist, lässt sich den Daten des Landesdenkmalamts entnehmen. Demnach ist es um 1840 vom Schneidermeister Carl Schulze errichtet worden, zwei Jahre nach Fertigstellung der Chaussee von Berlin nach Cottbus. Diese verbesserte die wirtschaftliche Lage der Dorfbewohner, sodass sich in Lichtenrade Handwerker, Gewerbetreibende und Händler ansiedelten und vom Durchreiseverkehr lebten. „Das einstöckige, traufenständige Gebäude mit Satteldach zeigt, wie die ländlichen Wohnbauten vor der Mitte des 19. Jahrhunderts aussahen“, so das Landesdenkmalamt. Die Postagentur für Lichtenrade war in dem ursprünglichen Wohnhaus von 1893 bis 1904 eingerichtet.
Der neue Eigentümer hat offenbar jedoch kein Interesse daran, den historischen Wert zu bewahren. Laut Jörn Oltmann ist das Haus 2012 an eine Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien veräußert worden. „Mehrfache Versuche der Kontaktaufnahme blieben ohne Reaktion“, berichtet der Stadtrat. „Das Bezirksamt hat zwischenzeitlich, soweit dies durch Außenbesichtigung möglich war, geprüft, welche Mindestmaßnahmen zur Sicherung des Gebäudes vor weiterem Verfall erforderlich sind. Nach derzeitigem Stand der Erkenntnis ist dies insbesondere die Sicherung gegen Witterungseinflüsse (Dach, Fenster, Wasserabflüsse).“ Eine für Ende März dem Eigentümer angekündigte Besichtigung des Inneren sei ohne Reaktion geblieben, hätte aufgrund der Pandemie jedoch nicht stattfinden können.
Sanierungen auf Kosten des Eigentümers
Oltmann signalisiert jedoch Handlungsbereitschaft. Nach personellen Engpässen sei die Untere Denkmalschutzbehörde inzwischen aufgestockt worden. „Beabsichtigt ist, nunmehr in der Vergangenheit unbearbeitete Vorgänge geringerer Priorität fortzuführen.“ Dazu zählt auch die Postagentur. „Angesichts der offensichtlichen fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümerseite könnten die Androhung und Anwendung von Zwangsmaßnahmen, bis hin zu einer Ersatzmaßnahme, erforderlich werden.“ Das würde bedeuten, dass das Bezirksamt dringende Arbeiten zum Erhalt selbst erledigen und dem Eigentümer in Rechnung stellen würde. „Da Verwaltungszwangsverfahren sich erfahrungsgemäß lange hinziehen können, kann ein schneller Erfolg leider nicht in Aussicht gestellt werden“, erklärt der Stadtrat.
Patrick Liesener hat sich vorgenommen, das Thema im Auge zu behalten und nun alle paar Monate dazu einen Statusbericht abzufragen. „Es ist wichtig, dass der neu angestoßene Prozess zum Erhalt der Lichtenrader Postagentur nicht wieder zum Erliegen kommt. Ich erwarte von der Denkmalschutzbehörde und dem Bezirksamt, dass man auch vor Zwangsmaßnahmen und möglichen Rechtsstreitigkeiten nicht zurückschreckt. Bezirk und Land müssen hier Hand in Hand arbeiten. Das Gebäude und seine Geschichte sind zu wertvoll, als es weiterhin dem Verfall preiszugeben“, sagt er.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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