Probieren und rezensieren
Carl-Zeiss-Oberschule hat eine Döner-Tasting-AG eingeführt
Mit Kräuter- und Knoblauchsoße, Fleisch und Salat komplett mag Mira (13) ihren Döner. Dustin (14) bevorzugt die Variante nur mit Fleisch im Brot. „Ich mag Salat einfach nicht“, lautet sein Kommentar. Die Geschmäcker der Schüler der Carl-Zeiss-Oberschule sind verschieden, doch sie haben eine gemeinsame Mission.
Im laufenden Schuljahr wollen sie sich durch die renommierten Döner-Imbisse der Stadt futtern. Ihre Geschmackserlebnisse dokumentieren sie mit Texten und Fotos. „Döner-Tasting“ heißt die ungewöhnliche Arbeitsgemeinschaft, die vor ein paar Monaten eingeführt wurde. Wer sich fragt, wozu das denn gut sein soll, bekommt von Franziska Geipel (31) eine klare Antwort. „Die Schüler sollen sich Schreibkompetenz aneignen“, erklärt die Deutsch- und Geschichtslehrerin. Die Idee zur Döner-AG kommt von ihr. Erlebnisse schriftlich auszuschmücken, falle den Acht- und Neuntklässlern doch etwas schwer. Ihr Kollege Jannis Trociewitz (36) berichtet, dass Schüler sich heute kaum noch mit längeren Texten aufhalten würden. Dies seien die Auswirkungen der digitalen Kommunikationsmedien. Über WhatsApp werden schnell und mit vielen Abkürzungen Nachrichten verschickt, oft lieber gleich Sprachnachrichten aufgenommen.
Die AG versucht, diesem Trend entgegenzuwirken. Hier sollen die Schüler ihre Erlebnisse in Rezensionen festhalten. Worum es sich bei einer Rezension handelt und wie diese von Profis geschrieben wird, lernten sie zu Beginn in der Theorie. Der Döner ist das praktische Mittel zum Zweck. „Man muss gucken, wie man die Kinder motivieren kann“, sagt Franziska Geipel. Selten habe eine AG so viele Anmeldungen gehabt, erzählt Jannis Trociewitz. Allerdings dachten viele Schüler offenbar, dass sie die Döner lediglich verputzen würden. „Die meisten haben wohl nicht bis zu Ende gelesen.“ Als sie bemerkten, dass sie mindestens genauso viel Zeit mit dem Schreiben verbringen würden, stiegen viele wieder aus. Von anfangs 25 ist so nur ein harter Kern von zehn übriggeblieben. Alle zwei Wochen besuchen sie in Begleitung der beiden Lehrer einen Imbiss ihrer Wahl. Nachdem sie sich durch Lichtenrade durchprobiert haben, steuern sie inzwischen weiter entfernte Lokalitäten an.
So stehen sie an einem Donnerstagnachmittag im „Imren Grill“ an der Karl-Marx-Straße in Neukölln und geben ihre Bestellungen auf. Nach dem Kebab ist vor dem Urteil. Auf ihren Bewertungsbögen machen sie Notizen zur Qualität des Salats, des Fleischs und der Soße. Ist die hausgemacht? Wie sind Konsistenz, Geruch, Geschmack? Gibt es Extras? Sieht das Essen ansprechend aus? Wie ist der Gesamteindruck? Wohl nie zuvor haben sich Teenager so ausführlich über das in Berlin omnipräsente Fast-Food-Gericht Gedanken gemacht. Sogar die Freundlichkeit des Personals, die Atmosphäre im Laden und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden beurteilt. Sind alle Punkte abgehakt, sammelt Franziska Geipel die Zettel ein. In der darauffolgenden Woche werden sie wieder gebraucht, wenn die Schüler aus den Stichpunkten ihre Rezensionen verfassen.
Zum Ende des Schuljahrs wollen Geipel und Trociewitz daraus ein Booklet machen. Im Stile eines Restaurantführers ist ein „Dönerführer“ mit den Kritiken der jungen Tester geplant. Er soll beim Sommerfest oder Tag der offenen Tür verkauft werden. Klartext ist dabei garantiert, denn die Schüler sparen nicht mit deftigen Worten. „Soße wässrig“, „Brot labbrig“, „Tomaten matschig“, „Personal ungeduldig“ oder „ich würde nicht noch mal hier hingehen“, tauchen öfter in den Bewertungen auf. Und wie lautet das Urteil zum „Imren Grill“ an diesem Tag? „Zu teuer“, schreibt Sebastian. „Lohnt sich“, meint dagegen Dustin. Es ist wie immer eine Geschmackssache.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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