Mysteriöse Zeitungsmeldung: Lichtenrade als Kurort
Lichtenrade. Wird seit beinahe 100 Jahren – aus welchen Gründen auch immer – ein im Lichtenrader Untergrund schlummerndes Geheimnis gehütet? Diesen Verdacht schürt seit Jahren immer mal wieder ein seltsamer Zeitungsbericht von 1924. Neulich erst wieder bei Facebook thematisiert.
Der Sache auf die Spur gekommen war Kiezreporter Thomas Moser schon vor rund 13 Jahren, als er 1994 in der Chronik des VFL Lichtenrade zum 100-jährigen Jubiläum stöberte, über ein Faksimile in Fraktur mit der Überschrift „Lichtenrade Kurort?“ stolperte und staunend las: „Als die Schlossbrauerei kürzlich auf ihrem Gelände in der Steinstraße, hinter dem Lemkeschen Grundstück nach Wasser bohren ließ, stieß sie in einer Tiefe von ca. 58 Meter auf eine heiße Quelle. Sie ließ zunächst das Bohrloch verstopfen, um die Quelle untersuchen zu lassen. Die Untersuchung hat nun ergeben, dass die Quelle dort stark schwefelhaltig ist und an Beschaffenheit zwischen den Aachen-Burtscheider und Wiesbadener Quellen liegt. Eine Gesellschaft hat sich bereits der Sache bemächtigt und beabsichtigt hier ein Kurhaus zu errichten. Diese Tatsache bedeutet für unsern Ort eine große Entwicklungsmöglichkeit und werden Grundstücksspekulanten sich dies zunutze machen, darum also Vorsicht bei Verkauf. Die Arbeiten zur Einfassung der Quelle sind bereits soweit gediehen, dass mit der Abgabe des ungemein heilkräftigen Wassers in den ersten Tagen des kommenden Monats begonnen werden kann. Und was die Hauptsache ist, hiesigen Einwohnern wird das Wasser gratis verabfolgt.“
Es handelt sich um das Gelände rund um die 1898 gebaute Mälzerei, direkt am S-Bahnhof Lichtenrade. Zunächst war nicht klar, wann genau in welcher Zeitung oder ob der Artikel einst überhaupt erschienen war. Also machte sich Moser auf die Suche und wurde tatsächlich fündig. Im Archiv des Heimatmuseums Tempelhof-Schöneberg fand er Originalausgaben der als „Amtliches Organ“ firmierenden „Berlin-Lichtenrader Zeitung und Anzeiger“ Und tatsächlich: Der gesuchte Originalartikel stand in der Nummer 26, erschienen am 29. März 1924 sogar auf der Titelseite. Der Kiezreporter witterte die Sensation, wühlte sich weiter durch die alten Zeitungen und stellte fest: „In den historischen Folgeausgaben des gesamten Jahrgangs 1924 wurde die heiße Quelle nicht nochmal erwähnt. Das wäre sehr ungewöhnlich, wenn eine solch interessante Entdeckung tatsächlich gemacht worden wäre.“
Da die Lichtenrader Zeitung aber nur zweimal wöchentlich und die Folgeausgabe erst am 2. April 1924 erschienen war, vermutet Moser, dass es sich vielleicht um einen vorgezogenen Aprilscherz der damaligen Blattmacher gehandelt haben könnte.
Wie auch immer, die Geschichte bleibt mysteriös und öffnet Verschwörungstheoretikern Tür und Tor. Beispielweise Helmut Bade aus Alt-Lichtenrade. Bei seinen Spaziergängen um den Dorfteich hat der Rentner den Bogen in die Jetztzeit gespannt und die Theorie entwickelt, dass die vehemente Ablehnung des Tunnelbaus für die Dresdner Bahn letztendlich auch nur der Wahrung dieses ominösen Geheimnisses dienen könnte. "Aber eigentlich auch egal, ob heiß oder kalt. Beim Graben eines Tunnels würde man so oder so garantiert auf Wasser stoßen“, so Baufachmann Bade zur Berliner Woche. HDK
Autor:Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.